Ich habe in diesem Jahr einige Seminare und Qualifizierungen besucht. Fast alle kosteten zwischen 500 und 1500 Euro plus Übernachtung. Es ging speziell um verschiedene Bereiche der Fotografie und des Filmens und anderer neuer technischer Verfahren. Ich war gespannt und ich wurde meistens sehr enttäuscht.
Doch bevor ich weiter schreibe noch ein Hinweis: ich pauschaliere an dieser Stelle, weil ich nicht die Einzelfälle aufführen will. Vielmehr stelle ich mit meinen Erfahrungen meine Sicht der Dinge dar. Auch wenn es wenige hören wollen. Kompetenz setzt Kompetenzen voraus, dazu gehört nicht sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit. Das Geheimnis für erfolgreiche Qualifizierungen hat neben dem Fachwissen zwei Namen, nämlich Didaktik und Methodik und das sind zwei Lernfächer, die man mehrere Semester früher studieren (= theoretisch erfassen und praktisch anwenden) mußte.
Ich fange mal ganz einfach an. Um erfolgreich zu qualifizieren, muss ich die biologischen Grundlagen des Lernens verstehen und als grundlegende Voraussetzung in Seminare einbauen. Dazu gehört eine vertiefte Auseinandersetzung mit den biologischen Grundlagen erfolgreichen Lernens und mit den erfolgreich praktizierten Voraussetzungen und Umsetzungen von Lern- und Arbeitstechniken. Dementsprechend muß das Seminar oder die Tagesschulung vom Ablauf her aufgebaut sein. Ich will hier grob unterscheiden zwischen drei Bereichen:
1.Planungskompetenz
Zuerst muß ich mir natürlich überlegen, was ich vermitteln will. Diese Frage muß beantwortet werden im Zusammenhang damit, wie Menschen lernen. Ich darf also nicht zu viel vermitteln, sondern muß mir anschauen, was ist in welcher Zeit vermittelbar (Didaktik) und mit welchen Methoden (Methodik). Da es unterschiedliche Lerntypen gibt, reicht es also nicht, einen Informationsblock rauszusuchen. Ich muß mir diesen Informationsblock anschauen und fragen, mit welchen verschiedenen Methoden vermittle ich diese Informationen, wieviel Zeit brauche ich dafür und wann wird dies wiederholt und vertieft. Und ebenso wichtig sind die Lernpausen, die biologisch und sozial erst den Lernerfolg ermöglichen. Und ich muß natürlich auch aufeinander aufbauende Inhalte haben.
2. Praxiskompetenz
Seminare sind für Dozentinnen/Dozenten sehr anstrengend, wenn sie so vorgehen. Der Vorteil in der Erwachsenenqualifizierung ist, dass es meistens um Sachthemen geht. Damit sind wir aber immer noch nicht am Ende. Jetzt kommt noch hinzu, dass ich durch verschiedene Moderationstechniken schneller oder langsamer eine Meinungsbildung oder auch gezielte Lernerfolgskontrollen einführen kann. Das ist übrigens auch deshalb so wichtig, weil eine gute Qualifizierung davon lebt, dass Teilnehmer und Dozenten merken, sie haben es geschafft oder sie müssen noch einmal eine Vertiefung einlegen. Damit wird eine wirksame Qualität gesichert. Die meisten Teilnehmer waren – zumindest in meinem Umfeld – damit immer sehr einverstanden, weil dies auch die Qualität des Dozenten zeigt. Und ich muß die Dinge vorbereiten. In einem Seminar sind Menschen mit einem zeitlich klar definierten Anfang und Ende zur Bearbeitung des Inhaltes. Daher muß ich bei Themen der Wissensvermittlung und der Umsetzung die Dinge so weit wie möglich vorbereiten.
3. Sozialkompetenz
Hinzu kommt parallel das Wissen um gruppendynamische Prozesse. Weil Menschen allein anders reagieren als in Gruppen, muß ich einen Ton und einen Umgang finden, der die individuelle Lernerfahrung ermöglicht und zugleich ermöglicht, die Angst zu verlieren, sich nicht in der Gruppe zu blamieren. Und wenn ich Gruppen zusammenstellen sollte, dann geht dies auch nur, wenn diese vom Bauchgefühl her miteinander auskommen, sonst sorgt der „Bauch“ dafür, dass das Thema keine Rolle mehr spielt. Wichtig ist, dass ein Seminar einen erheblichen Einschnitt in das persönliche Leben des Einzelnen darstellt (seine biologischen und persönlichen Tagesabläufe, seine Gewohnheiten etc.) Daher muß dafür gesorgt werden, dass man in der Gruppe verbale und tatsächliche Einzelräume schafft (Fluchtdistanz, persönliche Aura etc. sind bei der Tisch- und Stuhlanordnung zu beachten etc.)
Eigene Erfahrungen
Nun komme ich zu ein paar Erfahrungen, die mich im Jahre 2010 zum Staunen brachten. So war ich in einem Seminar, das von morgens bis abends und danach zur Projektbearbeitung bis in die Nacht laufen sollte. Es wurden keine Pausen definiert, die Gruppen wurden ohne Absprache untereinander von den Dozenten festgelegt, die Projekte wurden nicht vorher festgelegt und die Möglichkeit zur Wissensvermittlung wurden auf ein tatsächliches Minimum reduziert. Es mag ja sein, dass viele Fotografen als Einzelkämpfer arbeiten und dabei oft den ganzen Tag auf Abruf oder bis zur nächsten Verwendung arbeiten. Aber dieses Verhalten im Tagesgeschäft hat in einer Seminarsituation nichts zu suchen.Ein solches Seminar ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, selbst wenn jeder „etwas“ mitnimmt. Da die Teilnehmer in der Regel keine Ahnung von den oben aufgeführten Voraussetzungen haben, ist es Pflicht, ihnen ein Seminar zu ermöglichen, welches die Anforderungen erfüllt und nicht ihre vorhandene Anspruch- und damit Erfolglosigkeit im Lernen noch unterstützt.
Eine andere Seminarsituation bezog sich auf die Vermittlung von Softwareinhalten. Egal ob es sich um Bildbearbeitung oder Videoschnitt handelt. Wenn ich Software in der Praxis vermittle, muß ich mehrfach kleine Projekte erfolgreich zu Ende bringen. Dazu gehört entsprechend Zeit zum Üben und auch entsprechende Pausen. Und am nächsten Tag muß ich das alles noch mal machen. So lernt man.
Da dieser Artikel nicht in einem Buch enden soll, werde ich es bei diesen Beispielen belassen. Mich hat aber erstaunt, wieviel Geld mit Seminaren „gemacht“ werden kann, die nur sehr wenig von den genannten Voraussetzungen erfüllen.
Dies zeigt dreierlei:
- Es gibt Bedarf an Qualifizerungen
- Fachwissen allein reicht nicht sondern kompetente Dozentinnen und Dozenten sind rar
- Nur wenige Teilnehmer haben einen echten Maßstab für gute Qualifizierungen (weil sie sich auf die „Fachleute“ verlassen)
Für mich ist es einfach eine Sünde, wenn Menschen sich für ein Seminar anmelden, viel Geld bezahlen und dann nicht klare Inhalte mit klaren Lernzielen vermittelt bekommen in einem klaren Zeitrahmen und mit für alle verbindlichen Bedingungen. Ich selbst habe bisher mit wechselnden Arbeitsbereichen seit 30 Jahren in der Erwachsenenbildung und als persönlicher Coach oder Berater gearbeitet und ich hätte nicht gedacht, dass man das oben dargestellte Wissen auch heute wieder neu einbringen muß. Aber vielleicht liegt darin eine Chance. Es gibt wieder mal viel zu tun.