Im Internet habe ich folgendes gefunden: „Ich lebe im Ausland (Irland), und hier gibt es keine Fotografenlehre. Entweder man lernt durchs Assistieren, oder durchs college, oder beides. Ich habe ein ‚Certificate‘ in ‚Commercial Photography‘ von einem college of art and design, aber auch ohne dies koennte ich mich hier ‚photographer‘ nennen!“
Wenn man nun in Deutschland nachschaut, dann scheint es ja ziemlich viele Debatten zu geben über dieses Thema. Der Wikipedia-Artikel dazu scheint bei den Revisionen von einem Kampf um die Frage geprägt, wer darf sich Fotograf nennen?
Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat die Ausbildung neu strukturiert und 2009 wurde der neue Beruf vorgestellt. In der Wikipedia findet sich dann folgender Hinweis:
„Seit 2004 gehört in Deutschland der Beruf laut Anlage B der Handwerksordnung zu den zulassungsfreien Berufen (§ 18 Abs. 2), was bedeutet, dass die Berufsfotografie auch ohne Nachweis einer Meisterprüfung ausgeübt werden darf. Auch Autodidakten können dementsprechend die Berufsfotografie ausüben und sich als beispielsweise Foto-Designer bezeichnen oder andere Kunstnamen verwenden, jedoch dürfen sie nicht ausbilden. Die Bezeichnungen Bildreporter, Bildjournalist, Bildberichterstatter sind nicht geschützt.
Die Berufsausübung ist der Handwerkskammer anzuzeigen, die gemäß § 19 HwO ein gesondertes Verzeichnis zu führen hat. Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle ist, dass die Tätigkeit handwerksmäßig betrieben wird und in der Aufzählung (Anlage B Abschnitt 1 zur Handwerksordnung) erfasst ist.“
Dieser Hinweis ist deshalb so wichtig, weil es in Deutschland noch mehr Trennungen bei Fotografen gibt. Dazu habe ich in dem Artikel „Was ist Professionalität in der Fotografie“ auf die Geschichte von Walter E. Lautenbacher hingewiesen, der als Modefotograf sich eben nicht als Handwerker sondern eher als Künstler verstand. Und irgendwann erkannte dann dies das Bundesfinanzgericht an: „Wenn der Arbeit eines Fotografen nachweislich ein künstlerisches Element inhärent sei, so das damalige Urteil des Bundesfinanzhofs, dann könnten Fotografen fortan auch als Freiberufler tätig sein. Neben Handwerkern und Lichtkünstlern gab es jetzt also noch etwas Drittes. Etwas, was bis dato keinen Namen hatte. Fortan wurde es zu einem deutschen Spezifikum: Fotodesign – eine Disziplin, die weder Fleisch noch Fisch war.”
Und Fotodesign kann man in zwei Jahren an einer Schule mit-lernen oder vier bis fünf Jahre studieren. Nun denn!
Und wenn wir nach Österreich blicken, dann ist dies ebenso umkämpft. In einem Gastbeitrag bei kwerfeldein schildert Ingomar Leitner folgendes: „In meinem Heimatland Österreich gibt es nach wie vor eine sehr strenge Einschränkung auf die Tätigkeiten als Berufsfotograf. Wer aus dem Ausland in Österreich Aufträge annehmen möchte bzw. akquirieren will, der muss beim Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend eine sog. Dienstleistungsanzeige einreichen, für die ein Befähigungsnachweis unabdingbar ist. Meisterprüfung, vergleichbare Ausbildungen oder eine über zwei Jahre dauernde Unternehmensführung im eigenen Land (z.B. Deutschland) sind dazu allerdings ausreichend.“
Wenn nun ein Journalist Fotos für Artikel macht und Texte dazu schreibt, dann ist dies übrigens wieder etwas anderes, nämlich purer Journalismus.
Der DJV hat schon 2004 in einer Broschüre diesen Unterschied sehr deutlich gemacht: „Abzugrenzen ist von der handwerklichen und gewerblichen die freiberufliche Fotografie, die insbesondere bei Fotojournalisten vorliegt, wenn sie zum Zwecke der Berichterstattung fotografieren. Weiterhin gilt als freiberuflich auch die künstlerische Fotografie. Wann Fotografie künstlerisch ist oder nur schlicht gewerblich, ist naturgemäß umstritten. Wer nur freiberufliche Aufträge ausführt, ist nicht kammerpflichtig.“
Ich habe diesen Artikel geschrieben, um die im Jahre 2011 – im Zeitalter der absoluten Europäisierung und Globalisierung – vorherrschenden Denkweisen in Deutschland aus meiner Sicht darzustellen.
Gut ist, dass man in Deutschland einfach eine Digitalkamera in die Hand nehmen kann, um zu fotografieren. Gut ist auch, dass man seine Fotos einfach verkaufen darf.
Doch das wirft noch mehr Fragen auf. Machen wir mal weiter mit den Menschen, die gar nicht beruflich fotografieren sondern Fotografie als Hobby oder ehrenamtlich für Vereine betreiben.
Sind das dann Hobby-Fotografen und ehrenamtliche Fotografen oder wie darf man sich nennen? Das geht ja noch weiter. Im Internet muß man ja Fotos oft kennzeichnen.Wenn jemand seine Fotos ins Internet setzt und schreibt unter seine Fotos „Fotograf: Vorname Name“ was ist denn dann? Er oder sie ist ja der Fotograf oder die Fotografin dieser Fotos. Ist das dann eine unzulässige Berufsbezeichnung oder nur ein umgangssprachliche Zuordnung?
Oder muß man dann statt Fotograf einfach Fotografierer schreiben? Oder geht das nur noch mit „Foto: xxx xxx“ oder „Aufgenommen von xxx xxx“ oder „Aufnehmer: xxx xxx“. Das ist ja dann der Weg nach Absurdistan, weil dies ein sichtbar regional deutsches Denkphänomen ist (wie dieser Artikel übrigens auch).
Wenn man statt „Fotograf: Vorname Name“ schreibt „Fotografiert von: Vorname Name“ dann dürfte dies ja nicht mit einer Berufsbezeichnung gleichzusetzen sein, weil Fotografieren ja ein Verb oder ein Substantiv ist, welches einen Vorgang beschreibt, der gar nicht anders zu bezeichnen wäre.
Es war schon nicht verkehrt, dass es die Berufsbezeichnung „Lichtbildner“ gab. Das war eindeutig. Aber einen Alltagsbegriff als Berufsbezeichnung zu nehmen wirft bei mir Fragen auf, die hoffentlich noch beantwortet werden.
Ich habe den oben stehenden Text dem Bundesinstitut zur Berufsbildung vorgelegt mit der Bitte, ihre Sicht der Dinge hinzuzufügen.
Herr Arne Schambeck vom Bundesinstitut (Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Arbeitsbereich “Strukturfragen der Ordnungsarbeit, Prüfungswesen und Umsetzungskonzeptionen“, Federal Institute for Vocational Education and Training (BIBB), Section “Structural Issues Related to Regulatory Work, Examination Systems and Implementation Concepts”) war so freundlich, dies zu tun.
Er teilt mir mit:
„Im Berufsbildungsgesetz (BBiG) in § 4 Abs. 2 bzw. in der Handwerksordnung (HwO) in § 25 Abs.2 steht folgendes: „Für einen anerkannten Ausbildungsberuf darf nur nach der Ausbildungsordnung ausgebildet werden.“
Das heißt, dass Berufsbezeichnungen für alle nach BBiG und HwO anerkannten Ausbildungsberufe insofern geschützt sind, als zu diesen Berufen nur nach den jeweils gültigen Ausbildungsverordnungen ausgebildet werden darf.
Eigentlich ist es ganz einfach: Fotograf oder Fotografin darf sich nennen, wer eine Ausbildung nach der anerkannten Verordnung über die Berufsausbildung zum Fotografen/zur Fotografin erfolgreich absolviert hat. Diese Ausbildungsverordnung wurde zuletzt 2009 modernisiert, sie trat am 1. August 2009 in Kraft.
Allerdings kann jeder/jede diesen Beruf ausüben, da es keine gesetzlichen Voraussetzungen gibt. Er/sie muss sich nur anders nennen. Eine unberechtigte Benutzung der Berufsbezeichnung wird bei Fotografen allerdings nach meinem Kenntnisstand i.d.R. nicht verfolgt.
Da es im Bereich der Fotografie noch einige weitere Ausbildungswege und viele Arbeitsbereiche gibt, haben sich weitere Bezeichnungen eingebürgert, z.B. Fotojournalist/Fotojournalistin oder Fotodesigner/Fotodesignerin. Auch Fantasiebezeichnungen – wie z.B. Fotoartist – sind möglich.
Zum Bildnachweis:
Hier steht i.d.R. neutral der Urheber, z.B. „Foto: Peter Müller“. „Fotografiert von“ ist unüblich, kann aber natürlich verwendet werden.
Sprachlich nicht ganz eindeutig aber eben auch üblich ist „Fotograf: Peter Müller“; unzulässig wäre „Foto: Fotograf Peter Müller“, wenn dieser kein Fotograf im o.g. Sinne ist.“
Soweit die Information des BIBB.
Naturgemäß sind Fragen offen geblieben und Einschätzungen unterschiedlich. Bei Existenzgruender.de steht es wieder anders.
Leider habe ich auch keine Antwort auf die Frage gefunden, wie denn die berufliche Freizügigkeit in Europa zu sehen ist. Wenn ich in Irland als „photographer“ arbeite, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass man mir in Deutschland sagt, ich darf nicht als Fotograf arbeiten. Das würde meiner Meinung nach nämlich einigen europäischen Grundsätzen widersprechen und könnte den Europäischen Gerichtshof beschäftigen. Im Übrigen gilt dies nach meiner Auffassung auch für die Situation in Österreich. Aber das muß ich hier nicht klären.
Einer der Treppenwitze dieser deutschen Regelungen wäre oder ist zum Beispiel, dass der weltberühmte Fotograf David duChemin in Deutschland zwar fotografisch arbeiten dürfte, aber sich nicht Fotograf nennen dürfte, maximal „photographer“.
Wenn Fotograf eine geschützte Bezeichnung in Deutschland wäre, wie steht es dann um Fotografie und Fotografieren? Müssen nun alle Menschen, die in Deutschland fotografieren, statt Fotograf die Wörter Fotografierer oder Fotografiererin benutzen oder dürfen sie die Wörter gar nicht mehr benutzen?
Ich will mit diesen Fragen enden und hoffe, das Thema im Dreieck von Chaos, Realität und Absurdistan entsprechend problematisiert zu haben.
Nachtrag:
Mehr als ein Jahr danach ist ein Buch erschienen mit dem Titel „Recht für Fotografen“, das eine überraschend klare Antwort gibt.
Version 1.1
Interessanter Überblick. Um auf das Aufgangsposting zurückzukommen (http://dokumentarfotografie.de/2011/10/13/nicole-strasser-eine-fotografin-mit-blick/): An der FH Hannover studieren sie Fotojournalismus und Dokumentarfotografie – und nennen sich dann Fotojournalisten. Obwohl ich finde, dass diese Art von Fotojournalismus etwas sehr Künstlerisches hat – ich würde die Absolventen als Fotografen/innen bezeichnen. Dieses deutsche Recht ist wirklich ein überholtes Überbleibsel aus alten Zunftzeiten (obwohl: Fotografie ist verhältnismäßig jung…).
Wenn ich nur privat fotografiere, aber für meinen Blog unter seejey.de über Techniken, Feinheiten bei der Kamera und Details blogge, bin ich etwa kein Fotograf? Es gibt durchaus die Berufsgruppe Fotograf, doch auch der normale Hobbyfotograf ist eben ein Fotograf.