Ja, es gibt sie noch, die sozialdokumentarische Fotografie. Wo? Dort wo sie das macht, was sie soll, nämlich aktuell und engagiert zu sein, zum Beispiel bei Ärzte ohne Grenzen im Magazin AKUT.
Wenn wir uns die aktuelle Nummer 1-2011 betrachten, dann sehen wir ein Bild mit einem Schild „Waffen verboten“ im Vordergrund und dahinter eine dörfliche Szene. Das Bild von Spencer Platt ist so gestaltet, dass der Schatten des Verandabalkens in der linken unteren Ecke endet und zugleich umgekehrt den Blick ins Bild zieht.
Ähnlich interessant ist das Bild auf Seite 3, ebenfalls von Spencer Platt. Es gibt viele Personen, aber nur eine ist erkennbar. Dadurch sind die Persönlichkeitsrechte der Personen nicht verletzt. Ich vermute, dass das Bild entweder mit einem Lensbaby aufgenommen wurde oder einem nachträglichen Filter so bearbeitet worden ist. Wie auch immer. Die exakte Schärfe auf dem Logo von Ärzte ohne Grenzen, die Drehbewegung der Person und der darum fließende Panning-Focus zeigen die Dynamik der Situation und jeder erkennt, worum es geht.
Auf Seite 6/7 sieht man ein Foto von Cédric Gerbehaye. Es zeigt die Garnisonsstadt Malakal. Das Foto hat es in sich. Es hat eigentlich einen schiefen Horizont. Aber interessanterweise schadet dies dem Bild nicht. Es ist so gestaltet, dass die Elektroleitung direkt aus der rechten oberen Ecke in das Bild hineinzieht und den Blick des Betrachters im linken Drittel fängt. Man hat sogar das Gefühl, dass dieses Bild gerade ausgerichtet seine Aussage eher verwässern würde, denn irgendwie ist an dieser Stelle alles schief.
Es gibt dort noch mehr Fotos, die allesamt zeigen, dass die visuelle Grammatik des Sokrates auch heute noch die Grundlage für solch gute Fotos ist. Und oft sagen diese Fotos mehr als tausend Worte, in diesem Fall dokumentieren sie die Arbeit der Organisation Ärzte ohne Grenzen.