Anti-Landschaften oder die Neue Naturfotografie

Jedes Zeitalter hat seine Themen. Einige bleiben wie Bilder von Menschen, Kriegen und Ereignissen. Und es kommen neue Themen dazu. Ein Thema, das Henri Cartier-Bresson noch am Rande fotografierte, waren die Folgen unser industriellen Zivilisation. Wir sind nun einige Jahre weiter und die Welt bekommt langsam ein neues Gesicht. Das neue Gesicht wird immer stärker geprägt durch Anti-Landschaften, vom Menschen ausgebeutete Natur, die einfach übrigbleibt, als Müllhaufen dient oder auch kultiviert als künstliche Natur existiert.

Ich schreibe diesen Artikel, weil ich auf einmal selbst in diesem Thema war. Es geschah, als ich ein Buch von John Ganis entdeckte. Da stand in einem völlig öden Gelände eine Wasserrutsche. Erst dachte ich an eine Fotomontage, doch bald dämmerte mir, dass dies einfach ein dokumentarisches Foto war.

Und dann nahm mich John Ganis mit auf eine fotografische Reise. Ich sah zerstörte Landschaften, die „ordentlich“ aussahen und dabei völlig leblos waren. Ich entdeckte völlig verseuchte und rot strahlende Landschaften vor einem blühenden grünen Wald. Und ich sah grün schimmernde Schlackeberge als neue Form des Berges im 21. Jhrdt. Dies war ein fotografischer Blick, der mit Fotos nicht nur dokumentierte sondern illustrierte ….

Dann trat Edward Burtynsky auf den Plan. Er dokumentierte ebenfalls, aber seine Dokumente verkauften sich als Kunst. Er fotografierte Minen, die Rohstoffe abbauen. Er machte auch Bilder von Gummireifen und von Altmetall. Er fotografierte Schiffe, Ölfelder und er dokumentierte viele übriggebliebene Landschaften in China, Australien und anderen Teilen der Welt.

Hatte Salgado mit seinen Bildern vom Auseinandernehmen der Schiffswracks noch die Menschen  in den Mittelpunkt gestellt, so wurde dies bei Burtynsky anders. Auch er zeigt Menschen aber vor allem zeigt er die Folgen des menschlichen Handelns in der industriellen Zivilisation. Seine Landschaftsbilder wirken zum Teil so „schön“, dass sie keine Dokumente der Zerstörung sondern parallel Objekte zeitgenössischer Kunst sind.

Ja, und dann kam mein Tag. Ich fuhr an einem Kraftwerk in der Nähe von Aachen vorbei, welches so viel Qualm in die Luft absonderte, dass man es nur staunend betrachten konnte. Und dann war ich an einem Naherholungsgebiet. Es war der Blausteinsee. Während ich im Anblick der Türme noch an der Naherholung zweifelte, zeigte mir jeder Schritt auf diesem Grund, dass hier schon eine neue Dimension verwirklicht war, die vom Menschen erstellte Form einer neuen Natur. So wurde aus einer Anti-Landschaft wieder eine neue Art von Landschaft.

Die Landschaft und die Anti-Landschaft sind ein zunehmend wichtiges neues Thema der zeitgenössischen Fotografie. Sie sind auch Kunst, je nach Betrachter. Sie ermöglichen neue Blicke und sie sind wesentlich. Früher war es möglich, industriell zu arbeiten und später in die Natur hinauszufahren. Heute gibt es diese Natur zunehmend weniger. Ganze Regionen sind verseucht, vermüllt oder eine Anti-Landschaft. Oder auf dem Müllberg entsteht ein Naherholungsgebiet, die Anti-Landschaft erhält einen Aussichtsturm oder sie wird eventuell sogar rekultiviert. Aber dies dann nur dort, wo Geld und Bewusstsein dafür da sind.

Damit tut sich für die Fotografie ein grosses Thema auf. Ob es ein grosses Thema für den Kunstmarkt und die Dokumentarfotografie wird, wird sich zeigen. Ich finde es beeindruckend.

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