Kostenlose Reklame statt bezahlter Fotografie
„Für viele Redakteure bei Onlinemedien sind Bilder nur Mittel zum Zweck; und der heißt nicht etwa Geschichten erzählen, sondern: viele Klicks generieren! Da sind 40 Bilder aus dem Agentur-Abo besser als eine Reportage von 20 Bildern anzukaufen. Und wenn die Agentur von einem Motiv eins hoch und eins quer liefert, dann packt man beide da rein. Jeder Klick ein Treffer….
Es stößt einem bitter auf, wenn sich derzeit jedes Käseblatt mit den Bildern Honstras und anderer schmückt und vor seinen Lesern so tut als sei all das “Presse” und man als Blatt sei selbst ein Teil davon und würde all das für den Leser möglich und die Leser das mit ihrem Abo möglich machen. Dabei druckt man nur die kostenlosen Handouts des Wettbewerbs, hat die eigenen Fotografen längst abgeschafft und Leute wie Honstra lassen im Internet den Klingelbeutel rumgehen.“
So die Einschätzung des Photojournalisten Sascha Rheker in seinem Blog aus Anlass der Bekanntgabe der prämierten Fotos des World Press Photo Award.
Offenkundig schreibt er mit Erfahrung. Und so ist seine hier geäußerte Ansicht als Photojournalist genau das Problem, in dem heute Journalismus und Photojournalismus stecken.
Die kommunikative Kette
Es gibt eine Kette, die man mit den drei Wörtern Journalismus, Presse und Public Relations (PR) beschreiben kann.
- Dabei meint Journalismus eigentlich den Begriff des seriösen und recherchierenden Menschen, der mit Wort und/oder Bild als Informationsmedium arbeitet.
- Presse meint „die Gesamtheit aller Zeitungen und Zeitschriften in jeglicher Form sowie für das damit zusammenhängende Nachrichten- und Meinungswesen. In gewissen Wortverbindungen (wie etwa Pressearbeit, Pressefreiheit, Pressesprecher, Pressekonferenz etc.) steht der Wortteil „Presse“ auch in einem erweiterten Sinne für den Rundfunk, das Fernsehen und das Internet sowie auch für die Gesamtheit aller öffentlichen Massenmedien.“
- Und PR steht für Lobbyismus und Wording.
Lieber PR als Presse?
Das ist natürlich eine Mischung mit Schnittmengen.
Aber man muß sehen, dass die Vierte Gewalt eine wesentliche Rolle in der Demokratie spielt. Daher ist es wichtig zu sehen, was passiert und dies nüchtern zu analysieren. Da reicht die Feststellung:
„Die Krise des Journalismus erweist sich … vor allem als Krise seiner Kritikfunktion“ (Siegfried Weischenberg).
Warum dies so ist, ergibt sich wesentlich aus dieser Schnittmenge. Dies weiter auszuführen ist überflüssig, weil man es im Alltag der Informationen immer wieder sehen kann.
Deshalb möchte ich kurz noch einen Blick auf eine interessante erweiternde Frage werfen.
„Warum gehen Journalisten in die PR?“ fragte das Mediummagazin.de . Die Antworten zeigen, wie es momentan vielfach aussieht: irgendwie ist es in der PR attraktiver, finanziell und strukturell (Arbeitszeiten, Selbstbestimmung, Hierarchie).
Es kann natürlich auch sein, dass die neuen digitalen Kanäle journalistische Medien zunehmend überflüssig machen und die neuen Kanäle ausreichen.
Am Beispiel des Reisejournalismus sieht man diese Entwicklungen. Wahrscheinlich wird es eine neue Parallelität von allgemeineren Rankingseiten für pauschale Angebote und schnelle Buchungen einerseits und differenzierten und spezialisierten Berichten auf Blogs für eher individuell orientierte Reisende geben. Doch in beiden Fällen ist Journalismus nicht mehr notwendig sondern lediglich evtl. nützlich.
Und weiter. Wenn Journalisten letztlich nur noch News-Manager sind, dann sind sie auch für interessante und recherchierende Artikel nicht mehr notwendig. Dann werden es wohl Bloggerinnen und Blogger sein, die für die Inhalte sorgen.
Mal ganz persönlich: wenn ich mir einige bis viele Artikel z.B. bei spiegel.de anschaue, dann schreiben die Journalisten ja wirklich vielfach ihr Wissen aus Blogs zusammen und übersetzen zum Teil quasi nur noch, was auf englischsprachigen Seiten steht. Das ist News-Management und die eigene geistige Leistung ist eher logistischer Natur. Das Entstehen eigener Gedanken und eigener Artikel mit eigenem Durchdachten ist dem Berichten von anderswo gefundenen News gewichen. Für den Technikbereich habe ich dies hier gefunden.
Und was die Fotos angeht bei vielen Medien, da kann man Herrn Rheker wohl nur beipflichten.
Fotostudenten lernen Sponsoring ?
Was hat dies nun mit Fotojournalismus zu tun?
Das möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Was lernen Fotostudenten an der Fachhochschule Hannover?
Ich zitiere aus der Webseite:
„Dabei steht den Studenten eine der modernsten Fotoabteilungen Europas zur Verfügung, sowohl im analogen als auch im digitalen Bereich. Dank unseres Sponsors Lumix verfügen wir über unsere eigenen Geräte hinaus über eine große Anzahl von Leihkameras. Betreut werden die etwa 160 Fotostudenten von zwei Professoren, einem Fachlehrer und drei technischen Angestellten. Unsere Heimat ist das ehemalige »Global House« auf dem Expo-Gelände, ein wunderbar lichter, transparenter und moderner Bau.
Weiterhin arbeiten wir in berufsvorbereitender Weise für Unternehmen der Wirtschaft (Marc Shoes, Baden-Baden Event GmbH, Klinikum GmbH), für Stiftungen und Verbände (Museumsbund, Niedersächsische Sparkassenstiftung) und für Zeitungen und Zeitschriften (F.A.Z., Hannoversche Allgemeine Zeitung, Brigitte, mare)….
Stolz sind wir darauf, dass uns seit mehreren Jahren eine Zusammenarbeit bei Redaktions-Praktika mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verbindet und dass uns so renommierte Unternehmen wie Panasonic und die niedersächsiche Versicherungungsgruppe VGH finanziell kontinuierlich unterstützen.“
Man lernt offenkundig, dass Presse und PR irgendwie doch sehr miteinander verbunden sind. Das finde ich deshalb so interessant, weil es sich ja gerade hier um die – in meinen Augen – Hochburg des Fotojournalismus und der Dokumentarfotografie in Deutschland handelt, wenn ich diese Aussage ernst nehme: „Damit ist die Fachhochschule Hannover die einzige deutsche Hochschule, die die international übliche Bezeichnung »Photojournalism and Documentary Photography« als Begriff für das Kernprofil in der fotografischen Ausbildung trägt.“
Inwiefern wird die oben genannte „Kritikfunktion“ denn bewusst und unbewusst hier noch zugelassen?
Ist sie zugelassen? Übt man an den Sponsoren die Kritikfunktion?
Dürfte man zum Beispiel Fotoserien über Betriebsschließungen im Zuge der Globalisierung rund um Hannover bei den beteiligten Unternehmen publizieren in Ausstellungen etc.?
Oder wäre es unerwünscht, weil dann zwei Sachverhalte miteinander assoziiert würden, die – ich sag mal – nicht so passend wären aus Sicht eines der Beteiligten?
Würde eine Bilderserie über eine Betriebsschließung und über Massenentlassungen in Hannover einen Preis gewinnen bei den beteiligten Wettbewerben?
Was heisst das?
Wenn man nun alle diese Informationen verknüpft, dann könnte man denken, es gibt vielfach eine unbegrenzte Nähe. Die Messlatte dafür ist die praktizierte bzw. nicht praktizierte Kritikfunktion.
Presse und PR gehen völlig neue Verbindungen ein. Das soll ja auch schon dazu geführt haben, dass Pressemitteilungen von PR-Agenturen als Journalismus verstanden wurden.
Denn auch hier ist das Rollenbild gerade komplett im Wandel zwischen Autodidakten, die medial (journalistisch oder pr ?) arbeiten und dem Scout und eventuell noch mehr Richtungen.
Und wieder andere wechseln von der PResse zur PR.
Wie stark dies auch institutionell im Reisejournalismus (welcher Widersinn im Wort!, es müsste ReisePR heissen) zu finden ist, habe ich schon beschrieben.
Wir leben in einer Zeit, die gerade neue Weichen stellt. Beim Netzwerk Recherche gibt es eine gute Dokumentation zur Frage von Journalismus und PR.
Und bei vocer.org finden Sie noch viel mehr an aktuellen Beiträgen.
Fazit
Nun denn, am Beispiel des World Press Photo Award kann man sehen, wie es aktuell vielfach und nicht nur in Deutschland um die Fotografie und die Situation von Presse und PR in Deutschland bestellt ist.
Gut, dass wir mit unseren GEZ Gebühren die öffentlich-rechtliche Medienlandschaft aufgebaut haben. Dort ist die Demokratie und die Meinungsfreiheit in guten Händen.
Dort werden täglich großartige Fotos publiziert und solche Dinge, wie oben beschrieben, würden dort nie passieren – oder, oder vielleicht nur ein bisschen?
Nachtrag: Ich hatte ganz übersehen, dass es mittlerweile das Berufsbild des „PR-Journalisten“ gibt. So wird eine Verbindung kreiert, die das Image von seriöser Recherche und Unabhängigkeit vermittelt statt bezahlter Interessengebundenheit. Ich würde sagen, das ist PR pur.
Damit wir uns richtig verstehen. Ich habe nichts gegen PR. Aber sie muss transparent sein, d.h. ich muss wissen, dass interessengeleitet geschrieben oder geworben wird. Das ist in meinen Augen für die Produkte und die PR gut. Aber so tun als ob man seriös recherchiert hat und dann bewusst nur gefakte Test oder Ähnliches zu publizieren, ist unseriös und im Zeitalter sozialer Netzwerke meistens auch dumm.