Industrious von Marco Grob & Hiepler, Brunier

© INDUSTRIOUS - Photographs by Marco Grob & hiepler, brunier, published by teNeues in March 2012, www.teneues.com. Michel Ménart, Obourg, Belgium, 2010 Photo © Marco Grob, © 2012 Holcim IP Ltd.

Dieses Buch dokumentiert den Baukonzern Holcim.

„Zum hundertsten Firmenjubiläum macht der Baukonzern Holcim sich und seinen Mitarbeitern ein einzigartiges Geschenk. Starfotograf Marco Grob und das Künstlerduo hiepler, brunier, wurden eingeladen, in Steinbrüchen, Zement- und Betonwerken rund um den Globus Werktätige und Produktionsanlagen zu fotografieren. Herausgekommen ist dabei eine Hommage an die 80 000 Mitarbeiter in 70 Ländern.

Mit seinen einfühlsamen wie direkten Porträts gibt Marco Grob dem Unternehmen gleichsam ein Gesicht. Dagegen erscheinen die Orte, an denen die Menschen arbeiten, in den Architekturfotografien von hiepler, brunier, in abstrakter Schönheit.

Die so entstandenen Schwarz-Weiß-Bildserien sind von großer suggestiver Kraft und führen trotz ihrer Unterschiedlichkeit die Tradition der neusachlichen Fotografie eines August Sander und Albert Renger-Patzsch in zeitgemäßer Form fort.“

Dieser Text zeigt den Rahmen und den Anspruch, den das Buch erfüllen soll. Kann es das?

Ich habe mir die Frage gestellt, welches Selbstbild hat der Baukonzern und welches Selbstbild haben die Autoren? Und was kommt dabei dann als Ergebnis raus?

Wie schreibt Dr. Matthias Frehner vom Kunstmuseum Bern im Buch?

„Menschen ohne deren Einverständnis zu fotografieren ist inzwischen ein Tabu. Die Zeiten sind definitiv vorüber, in denen Fotografen ihre Stative aufstellen konnten, wo immer es ihnen beliebte. Industriefotografie, wie sie der Pionier Albert Renger-Patzsch in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf den damaligen Industrieschauplätzen praktizierte, ist heute nahezu inexistent. … Marco Grob wurde die Aufgabe übertragen, vor Ort nach subjektiven Kritierien Werktätige zu porträtieren; Hiepler, Brunier konnten in ebensom freiem Ermessen die Produktionsanlagen fotografieren.“

Es ist ein Buch, das schöne Porträts von Menschen in Schwarzweiss zeigt. Es sind Menschen, die bei Holcim arbeiten. Es ist ein schönes Buch, das auch schön sein will.  Es ist fotografisch ohne Ecken und Kanten. Bei Schwarzweissaufnahmen kommt es auf die Strukturen an. Und so ist alles irgendwie schön strukturiert. Die Strukturen auf den Fotos sind schön anzusehen, die Porträts sind schön anzusehen und die Produktionsanlagen auch.

Es „porträtiert“ Holcim. So entsteht ein Buch mit menschenleeren Produktionsanlagen einerseits und Porträts von Menschen andererseits.

Aber es ist kein Buch über Arbeit und das will es auch nicht. Es werden keine Bilder von Menschen bei der Arbeit gezeigt und schon gar nicht solche wie sie z.B. Edward Burtynsky gemacht hat.

Ich würde auch nicht August Sander als Beispiel nennen, denn der hat anders fotografiert, dokumentarisch und aus dem Leben heraus. Aber es ist ein sehr seltenes Buch über einen Konzern und es ist ein Buch mit schönen Porträtaufnahmen.

Das Kunstmuseum Bern schreibt zu der gleichnamigen Ausstellung auf seiner Webseite:

„Die Bilder, entstanden an 35 verschiedenen Destinationen und verteilt über fünf Kontinente, nehmen die Betrachterinnen und Betrachter auf eine visuelle Weltreise mit. Die Ausstellung und der eindrückliche Fotoband sind ein leuchtendes Beispiel für die Entwicklung von Kunst aus einem Auftragsverhältnis.

Der international gefragte Schweizer Fotograf Marco Grob löste unvergessliche Gesichter aus über achtzigtausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konzerns heraus. Jedes Porträt gibt dem Betrachter Einblicke in individuelle Lebenstiefen und Existenzerfahrungen unserer Gegenwart.

Das Berliner Fotografenteam Hiepler und Brunier dokumentierte die Anlagen für die Herstellung von Zement, Zuschlagstoffen und Transportbeton. Damit vergegenwärtigen sie Produktionsprozesse, die in der globalisierten Welt überall gleich ablaufen und dennoch an jedemStandort eine neue Präsenz erlangen.“

So ist dieses Buch kein Beispiel für Dokumentarfotografie sondern für Fotokunst aus einem Auftragsverhältnis. Und vielleicht ermöglicht der Blick in die Porträts in dem Buch dem Betrachter ähnlich tiefe Einsichten zu den „Lebenstiefen und Existenzerfahrungen“ wie es den Ausstellungsmachern möglich war. Das wäre optimal.

Foto: Michael Mahlke

Das Buch ist im Verlag teneues erschienen. Es ist hervorragend verarbeitet und ein Beispiel für die digitalen und technischen Möglichkeiten heutiger Schwarzweissfotografie.

Industrious
Vorworte von Klaus Töpfer, Matthias Frehner

Marco Grob & Hiepler, Brunier

ISBN:978-3-8327-9539-9

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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