Fabrik. Ein Bildepos der Technik von Jakob Tuggener

Das Buch ist feinste Dokumentarfotografie. Als 1943 das Buch „Fabrik. Ein Bildepos der Technik“ von Jakob Tuggener erschien, war die Welt in schwierigen Zeiten. Es handelte sich um ein Buch mit Motiven der Firma Oerlikon.

Es geht in dem Buch um das fotografische Festhalten von Menschen und Technik am Beispiel einer „Fabrik“, wobei Oerlikon damals eines der größten Unternehmen im Raum Zürich überhaupt war.

Das Buch ist ein Bildepos und ein Firmenportrait. Es ist fotografisch und inhaltlich etwas besonderes.

Der Verlag schreibt dazu: „Jakob Tuggeners Fabrik, erschienen 1943 in Zürich, gilt als Meilenstein in der Geschichte des Fotobuchs. Dieses „Bildepos der Technik“ orientiert sich in seiner assoziativen Reihung der Fotografien an der expressionistischen Stummfilm-Ästhetik. Es vermittelt eine skeptische Sicht auf das zerstörerische Potential ungebremsten technischen Fortschritts – in einer Zeit, als die Schweizer Rüstungsindustrie Waffen für den Zweiten Weltkrieg produzierte. Tuggeners kompromißlos subjektive Fotografie und seine kritische Haltung paßten nicht in seine Zeit. Fabrik wurde kein kommerzieller Erfolg – die Auflage wurde verramscht, zum Teil wahrscheinlich sogar eingestampft. Nun wird der inzwischen gesuchte Klassiker erstmal wiederaufgelegt, als Reprint mit einem aktuellen Nachwort.“

Das stimmt alles aber das Buch hat noch mehr.  Michael Freund schrieb dazu: „Er hält sich allerdings nicht lange bei der Schäferstimmung auf, der Bildrhythmus zieht den Betrachter in einen expressionistischen Albtraum à la Metropolis hinein. Riesige Kräne, Turbinenräder, Öfen, Transformatoren reduzieren die, die Hand anlegen, zu Rädchen. Nahaufnahmen bestärken nur, als Kontrast, den Befund. Bilder aus der Umgebung, seien es die Siedlungen, die Wasserläufe oder die Bahntrassen, ergänzen das „Gesicht der Arbeit“: Alles wird der nie ruhenden Fabrik zugeführt.“

Es ist dem Verleger Gerhard Steidl zu verdanken, dass ein solches Buch noch einmal der interessierten Menschheit zur Verfügung gestellt wurde.

Und es ist dem Fotografen Jakob Tuggener zu verdanken, dass er dieses Buch so fotografiert hat und der Firma Oerlikon, dass sie dies so zugelassen und bezahlt haben.

Vielleicht passte es nicht in die Zeit und wurde kein kommerzieller Erfolg (was bei Firmenportraits als bezahlte Auftragsarbeit selten der Fall ist) aber vielleicht war dies der Grund für die fotografische Freiheit, die Jakob Tuggener hier entwickelte und irgendwie entsprach dies vielleicht auch dem damaligen fotografischen Zeitgeist?

Rückblickend ist dieses Buch ein Symbol für den fotografisch dokumentierten Weg in eine technikbestimmte Welt. Und es ist zugleich natürlich auch ein Firmenportrait. Und da ist es schon interessant, wie unterschiedlich man ein Unternehmen darstellen kann.

Während sich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jhrdts. zunehmend Dokumentarfotografie und Fotokunst fotografisch voneinander trennten, ist das Buch von Tuggener ins Bild gesetzte dokumentarfotografische Fotokunst.

Ich weiss, dass es den Begriff nicht gibt, weil es die Kategorien damals so nicht gab. Aber es ist engagierte Fotografie, es ist symbolische Fotografie, es ist dokumentierende Fotografie und es ist zeitlose Fotografie – eben ein „Bildepos“.

So ist dieses Buch in die Gegenwart getreten und berührt unsere Sinne durch seine Fotografien in vielfältiger Weise.

Das Buch ist im Steidl Verlag erschienen.

Fabrik. Ein Bildepos der Technik von Jakob  Tuggener
gebundene Ausgabe, Leineneinband
ISBN: 978-3-86521-493-5

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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