Neue Kameras schlüpfen aus den Eiern der Kamerahersteller
Nun ist es soweit. Überall vor der Photokina schlüpfen neue Kameras aus den Nestern der Kamerahersteller.
Um mich der Frage dieses Artikels anzunähern möchte ich ein Zitat als Einstieg in meine gedankliche Argumentation nehmen.
Das Zitat beginnt mit den Worten: „Wenn die X100 die Leica des armen Mannes ist, dann sieht die RX1 aus wie die Leica der Mittelklasse…..“
Es stammt von cnet.com:
„If the X100 is the poor man’s Leica, than the RX1 looks like the middle-class man’s Leica. Do I think Sony can achieve great photo quality with it? Yes; all the pieces are there. And it looks especially yummy if you like street shooting. Do I want to try it? Hell yeah. But for $2,799, especially for a first-generation model, as a potential buyer I’d expect a little more.“
Und damit bin ich schon beim Thema dieses Artikels.
Welchen Zweck hat eine Kamera?
Eigentlich ist eine Kamera dazu da, um Fotos zu erstellen nach den Einstellungen des Bedieners, sprich der Fotografin oder des Fotografen.
Das ist in meinen Augen der Zweck einer Digitalkamera.
Das Zitat läßt aber nach meiner Auffassung etwas anderes vermuten.
Es geht davon aus, dass es hier um Statusfragen geht. Die Kamera soll in erster Linie Symbol für eine bestimmte Klasse sein (soziologisch oder marxistisch?).
Damit wären (und sind) wir dann natürlich mitten im Thema der sozialen Gebrauchsweisen von Digitalkameras gelandet.
Wohlgemerkt von Digitalkameras und nicht von Fotos!
Die Frage der sozialen Gebrauchsweise von Fotos ist eine andere Frage als die Frage der sozialen Gebrauchsweise von Digitalkameras.
Zwischen Zweck und Gebrauch
Der Zweck einer Digitalkamera, das Erstellen von Fotografien, tritt somit immer mehr in den Hintergrund.
Die Aussage des Autors impliziert auch nicht, dass die Leica die besten Fotos macht.
Sie impliziert dafür aber direkt, dass die Leica ebenso ein Statussymbol ist wie die Sony eines werden soll und die Fuji X100 eines ist.
Gebrauch statt Qualität?
Wenn man die Frage nach der Qualität der Fotos stellt, dann ist das ganze Thema anders.
Niemand kann sagen, dass die besten Fotos mit den teuersten Kameras gemacht werden.
- Das würde erstens allen Wettbewerbssiegern widersprechen,
- Es würde die Kompetenz der gesamten Juroren und fotografischen Organisationen in Frage stellen und
- Es würde zudem einen Massstab definieren für gute Fotografie, der allgemeingültig ist ohne objektive Belegbarkeit. Gut ist aber subjektiv.
Daher ist der Ansatz, der durch PR und Marketing in meinen Augen mittlerweile in die Köpfe eingepflanzt werden soll oder wurde, ein anderer: die Klassenzugehörigkeit als Verkaufsargument.
Sind Kameras in Handys klassenrelevant?
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dies alles auf dem riesigen Massenmarkt der Handys und Smartphones nicht oder noch nicht so eine große Rolle spielt.
Dort kann man sich sein Handy zwar vergolden lassen und mit Diamanten besetzen lassen, aber die Technik ist im Prinzip für alle erschwinglich.
Und die Kamerafrage ist auch ganz praktisch gelöst.
Heute wissen wir laut den Ankündigungen, dass Apple im Iphone 5 keine bahnbrechend neue Kamera eingebaut hat sondern im Prinzip bei der alten Kamera geblieben ist. Zugleich hat Nokia in meinen Augen zwar die mit Abstand aktuell wohl beste Kamera im Nokia 808 Pureview verbaut, aber der Rest des Handys ist nach der Einschätzung vieler Nutzer durch das Betriebssystem nicht besonders gut im Vergleich zu den Wettbewerbern, allen voran Samsung. Und die neuen Nokia Handys haben dann die Superkamera aus dem 808 nicht eingebaut.
So ist hier der Zweck der Kamera eindeutig weniger fotografischer Natur sondern die Kamera hat nur einen eher praktischen Wert. Und da reichen eben die von den Herstellern eingebauten Geräte aus.
Eher modisch als monetär
Man könnte daraus auch schliessen, dass Handys sich nicht mehr so gut für Klassenzugehörigkeit eignen sondern eher für Gruppenzugehörigkeiten, die weniger monetäre als modische Massstäbe anlegen.
Wenn man zurückkommt zu der Frage, welchen Zweck eine Kamera hat, dann ist die Antwort für mich klar.
Damit will ich gute Fotos machen.
Und die sind auch mit den meisten Kameras möglich, die hier nicht erwähnt worden sind und viel weniger kosten.
Oder sie sind eben auch mit den eingebauten Kameras in Handys und Smartphones möglich.
Da diese für die meisten fotografischen Zwecke ausreichen und mittlerweile sogar kunstfähig werden, brauche ich darüber hinaus aus fotografischen Gründen eigentlich kaum noch eine zusätzliche Kamera.
(Es gibt noch andere Gründe für Kameras statt Handys wie z.B. der optische Sucher, aber ich möchte hier einfach bei der Hauptargumentation bleiben und verkürze daher darauf.)
Es sei denn, die Kamera hat einen anderen Zweck, der jenseits der Fotografie liegt.
Wenn die Kamera nämlich als Statussymbol dienen soll.
Und dann sind wir da, wo dieser Artikel angefangen hat.
Aber das ist dann keine fotografische Frage mehr sondern eine Frage der kulturellen Konvention und der soziologischen Einordnung: welche Kamera gehört zur Oberklasse, zur Mittelklasse oder zur Unterklasse – wenn es das denn so gibt?
Da wünsche ich auf und nach der Photokina viel Spass auf der „Klassen“-fahrt!
Text Version 1.1
Du hast mit deiner Pointe sicherlich recht. Der ambitionierte Amateur braucht nicht so viel wie er glaubt und am Ende kauft er, aber das ist auch mit allem so, oder wie viele Leute brauchen wirklich die Leistung, die ihr Auto wirklich liefern könnte?