Als Jose Ortega y Gasset darüber schrieb, empfand er die Welt schon als ziemlich voll. Und er beschrieb zwei Wesensmerkmale des modernen Massenmenschen: „die ungehemmte Ausdehnung seiner Lebenswünsche und darum seiner Person; und die grundsätzliche Undankbarkeit gegen alles, was sein reibungsloses Dasein ermöglicht hat.“
Heute sehen wir nur noch Masse. Daher kann der Blick auf die Texte von Ortega y Gasset uns dorthin zurückbringen, wo die Zivilisation sich gerade erst so entwickelte. Damit wird klar, woher wir kommen und was heute anders ist.
Die Menschen, die heute leben, kennen nur noch Menschenmassen. Für sie ist diese Welt selbstverständlich. Es ist ihre Welt. Sie können sich auch keine andere Welt vorstellen. Ziel ist die Aufrechterhaltung ihres Status und der Konsum.
Wir leben damit in einer Zeit ohne Gedächtnis.
Die permanente Gegenwart führt dazu, dass die Fähigkeit des Erinnerns fast völlig ausgelöscht wird. Statt etwas auswendig zu lernen lernt man das Bedienen von Geräten, die einem etwas mitteilen, um die permanente Reizüberflutung einzuteilen.
„Informationen werden mitgeteilt, Wissen erwirbt man durch Bildung.“
Dieser Satz zeigt das Dilemma.
In diesem Sinne sind wir heute in einer Informationsgesellschaft – wobei mir Mitteilungsgesellschaft besser erscheint – mit Augenzeugenillusion aber nicht in einer Wissensgesellschaft. Die haben wir hinter uns gelassen – wissentlich.
Alles wird flüchtig. Die eigene Existenz bekommt Halt durch Erleben von digitaler Präsenz.
Medienerziehung, Medienbewußtsein, Umgang mit Medien sind Begriffe und Vorstellungen aus einer Zeit vor dem Smartphone, Google und Facebook. Sie sind für die meisten Menschen nicht mehr nachvollziehbar.
Heute haben Softwaresysteme das eigene Denken übenommen und die Beschäftigung mit der eigenen Darstellung ist die tägliche Aufgabe in sozialen Netzwerken.
Aktualisieren statt verstehen ist die Devise. Sicherheit entsteht durch das Anschalten von Geräten und nicht durch die Souveränität des Ausschaltens von Geräten. Selbstbestimmung schwindet.
Das Gedächtnis verschwindet. Fotos übernehmen die Aufgaben von Texten und dem Denken in Zusammenhängen. Die digitale Welt hat eine Unmenge an Texten produziert. Diese treten selbst bei Suchmaschinen immer mehr in den Hintergrund. Fotos und Videos übernehmen die Aufgabe und ändern unser Wahrnehmungsverhalten.
Durch die Vernetzung wird nun die absolute Überfüllung deutlich. Die Chance des Einzelnen liegt nun allein darin, möglichst viele Mitteilungen durch eigenes Denken zu ersetzen. Dies gilt übertragen dann auch für das Fotografieren. Statt unendlicher Fotostreams sollte die Erarbeitung eines Moments oder einer Situation umgesetzt werden, die in ein Foto mündet.
Aber auch dieser Text ist nun wie ein Tropfen im Meer der digitalen Informationen und wird mit seinem Erscheinen schon wieder von anderen Tropfen überrollt. Ob diese vielen digitalen Tropfen unterschieden und gefiltert werden, liegt dann an den Filtern, den Suchmaschinen.
Und dann ist Schweigen vielleicht die bessere Alternative.
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