Ara Güler. Fotografien 1950 bis 2005

978-3-89479-906-9

Visueller Historiker. Das ist die Bezeichnung, die im Buch gewählt wird, wenn man über Ara Güler und seine Fotos spricht.

„Das Auge Istanbuls“ nennt ihn Orhan Pamuk und das ist auch der Titel einer Ausstellung über ihn.

„Fotografie ist ein Mittel der Aufzeichnung, sie muß erzählen und du mußt etwas daraus schließen können,“ wird Ara Güler in dem Buch zitiert.

Ein bemerkenswertes Buch über ein langes Fotografenleben und eine visuelle historische Dokumentation über das, was den Alltag der Menschen ausmacht. Das Sein bestimmt eben auch das Bewußtsein.

Mir vermittelt das Buch Eindrücke von einer Türkei, die mitten in Europa ist/war. Die Fotos hätten ebenso in Spanien oder Italien aufgenommen werden können. Die Menschen kleiden sich „westlich“ und religiöse Kleidung hat einen akzeptierten Platz und dominiert nicht den ganzen Menschen oder ganze Situationen.

Dies widerspricht völlig den Fotos, die heute im Zuge der Reislamisierung in den Medien zu sehen sind. Diesen Vergleich schreibe ich hier deshalb auf, weil Gülers Fotos für die journalistische Berichterstattung gemacht worden sind, um etwas daraus zu schließen – so wie heute auch.

Über das Leben der Menschen zu berichten und den kleinen Leuten ein Denkmal für die Ewigkeit setzen, das hat Ara Güler gekonnt erreicht.

Er zeigt uns viel Armut und viel Lebensfreude auch in kleinen Verhältnissen. Das Buch ist ein Spiegel, um das Heute zu verstehen, wenn man wissen will, wo man herkommt.

Aber in dem Buch ist noch mehr zu finden. Neben monochromen Fotos vermitteln die Farbfotos Eindrücke nach dem Motto, es könnte gestern gewesen sein.

Wir sehen Fotos, auf denen Ara Güler eine klare Gestaltung mit klaren Motiven verbindet. Vielleicht macht das für mich den Reiz aus und vermittelt den Eindruck des Dokumentarischen.

Wer die Fotografie von Ara Güler sehen und verstehen will und wer Eindrücke über eine Türkei von Istanbul bis Anatolien sehen will, die lebendig und sympathisch wirken, der findet hier ein Buch, das alles dies bietet. Es macht richtig Spaß, mit den Augen von Ara Güler zu sehen, weil viele Fotos auch ganze Geschichten assoziieren.

Das Buch ist im Nicolai Verlag erschienen.

Gisela Kayser (Hg.), Hasan Şenyüksel (Hg.)
Ara Güler
Fotografien 1950-2005
deutsch/türkisch
216 Seiten
225 Abb. überwiegend Duotone
17 x 24 cm
Broschur
ISBN 978-3-89479-906-9

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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