„Eine Fotografie kann Dokument und Dokumentarfoto gleichzeitig sein. Ein Dokument ist jedoch nicht zwangsläufig eine Fotografie und nur weil ein Foto ein Dokument ist, handelt es sich dabei noch nicht um eine Dokumentarfotografie.“
Schöne Sätze aus der Doktorarbeit von Annika Baacke.
Sie untersucht Karl Blossfeldt, August Sander, Albert Renger-Patzsch sowie Bernd und Hilla Becher.
Es sind prominente Namen und entsprechend groß ist auch der wissenschaftliche Apparat. Eine Promotion, die gut zu lesen ist und uns auf den Stand der Forschung bringt.
Sie kommt u.a. zu folgender Einschätzung:
„Folgt man den in den 1930er Jahren formulierten Eigenschaften der Dokumentarfotografie, so entspricht keines der vier hier behandelten Werke den Ansprüchen, die an dieses Genre gestellt wurden. Karl Blossfeldt, August Sander, Albert Renger-Patzsch sowie Bernd und Hilla Becher verfolgen mit ihren Fotografien zwar einen sachlich-objektiven Ansatz, doch fehlt ihren Bildern die sozialkritische Komponente. Karl Blossfeldts Pflanzenfotografien etwa klammern einen sozialkritischen Kommentar aus. Sie weisen weder auf die Zerstörung der Umwelt hin, noch liefern sie einen generellen Kommentar zum Miteinander von Mensch und Natur. Durch die Isolation der Pflanzen, die Konzentration auf Formdetails und das Aussparen des natürlichen Umfeldes ist eine Lesart im Sinne der klassischen Dokumentarfotografie ausgeschlossen. Auch August Sanders Portraitaufnahmen beanstanden die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse nicht. Sanders Ziel ist es, eine neutrale Bestandsaufnahme der verschiedenen Gesellschaftsschichten zu erstellen, ohne dabei für eine Gruppe Partei zu ergreifen. Gleiches gilt für die Arbeiten Albert Renger-Patzschs sowie Bernd und Hilla Bechers. Die Fotografen zeigen Landschaften und Architekturen, Gegenstände und mitunter auch Menschen, der sozialkritische Kommentar jedoch bleibt aus. Es ist nicht das Anliegen der Fotografen hier auf Missstände aufmerksam zu machen. Die Objekte sind Mittelpunkt und sollen für sich selbst sprechen.“
Die Indexierung führt im Vergleich dazu, mehr zu sehen als ein einzelnes Foto kann.
Die Bechers selbst haben in einem Film einmal darauf hingewiesen, daß sie eigentlich gebaute Zeitzeugen fotografiert haben, die für sich stehen. Erst später bei der Anordnung der Fotos ergaben sich neue Gesichtspunkte, weil verschiedene Fotos miteinander verglichen werden konnten und damit Parallelen, Unterschiede und Veränderungen sichtbar wurden. So wurde z.B. bei Industriebauten eine Architektur sichtbar, die sich rein aus der Funktion ergab.
Da die Fotos der Genannten einzeln eher nicht einzuordnen sind, macht es die Masse, die den Vergleich ermöglicht. Das steht alles sehr schön in dem Buch.
Ich finde die Doktorarbeit als aufgearbeiteter Text zur Fotografie ausgesprochen gut, weil Frau Baacke auch lesbar schreibt.
Daher möchte ich ihr Buch empfehlen.
Die Doktorarbeit steht als pdf-Datei kostenlos als Download zur Verfügung.
Wer wirklich was wissen will zu diesen Namen und der Dokumentarfotografie und der dokumentierenden Fotografie, der findet hier etwas mit Substanz und bei Glasenapp die Hintergründe dazu.