Die Anforderung lautet Fotos im dokumentarischen Stil zu erstellen.
Es sollen keine Architekturfotos werden, auf denen die Räume oder Gebäude gezeigt werden, sondern es soll dokumentarisch sein.
Wenn ich dann nachfrage, was damit gemeint ist, wird es interessant.
Und deshalb möchte ich das Ganze hier einmal aufgreifen.
Dokumentarfotografie kann das Fotografieren von Gebäuden sein wie bei den Bechers. Das überlappt sich schon mit dem Wort Architekturfotografie. Diese versucht möglichst getreu Räume und Gebäude oder anderes wiederzugeben, abzufotografieren. Es kann auch Tatortfotografie sein, die sehr konkret und funktional ist.
Aber Stile in der Fotografie sind ja besondere Eigenarten beim Fotografieren gewesen, die in einer bestimmten Zeit und/oder Situation eingesetzt wurden, sei es, weil es technisch nichts anderes gab oder weil man es so wollte.
Und nach mehr als hundert Jahren Fotografie gibt es viele Stile und seit der Einführung der digitalen Fotografie mit dem Filtermix ist die Auswahl fast unendlich.
Dokumentarisch und dokumentierend – wo ist da der Unterschied?
Wer dokumentiert ist dabei, er/sie hat also die Augenzeugenschaft und wählt dann durch den Ausschnitt in der Kamera und durch die Gestaltung die Dinge so aus wie sie erfasst werden sollen.
Das ist eine Reportage, wenn es um ein Ereignis und einen Ablauf geht und es sozial wird, also Menschen dabei sind (manchmal auch Tiere).
Fotoreportagen dokumentieren und sind daher dokumentarisch aber nicht immer Dokumentarfotografie.
Der dokumentarische Stil in der Auftragsfotografie
Wenn es nun um Auftragsfotografie geht, bei der im dokumentarischen Stil gearbeitet werden soll, dann geht es meistens um die Darstellung von Abläufen und Inhalten. Das können Workshops, Konferenzen, Arbeitsabläufe, Stimmungen, Darstellungen, Gruppen etc. sein.
Darstellen bedeutet ich fotografiere Dinge und Abläufe im realen Zusammenhang.
Dokumentarischer Stil ist dabei nicht festgelegt. Der Auftraggeber entscheidet (meist hinterher) welcher Stil zu ihm paßt, eher kühl oder poppig, monochrom oder farbig, körnig oder glatt etc. Farben und fotografische Art der Fotos sollten vorher besprochen werden. Monochrome Fotos lassen mehr Deutung zu aber wirken auch dokumentierender.
Der dokumentarische Stil in der Auftragsfotografie ist also immer das Ergebnis eines Gespräches zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dann wird es für beide Seiten ein Erfolg.
Aber damit ist das alles ja noch nicht zu Ende.
Vom dokumentarischen zum sozial-dokumentarischen Stil
Ich komme aus der Wirtschaft. Unternehmen sind soziale Veranstaltungen. Wenn es darum geht den „Geist“ eines Unternehmens, die Kreativität, die Bedingungen des Handelns etc. einzufangen, dann kann dies meiner Meinung nach nur durch Reportagefotografie im Ablauf erfolgen mit nachträglicher Bearbeitung.
Will ich funktionell nutzbare Fotos mit symbolischen Aussagen oder will ich das, was geschieht, im realen sozialen Ablauf da zeigen, wo es stattfindet?
Also imagebildende Industriefotografie oder sozial-dokumentarischer Stil, der zugleich wichtig ist für Erinnerungskultur.
Symbolik und Marketing in der Industriefotografie
Wenn es um Symbolik und Marketing geht, dann ist die heutige kommerzielle Industriefotografie gefragt. Selbst wenn dort Menschen zu sehen sind, so dokumentiert das dann keine echten Prozesse im sozialen Zusammenhang sondern dient der Darstellung und der Imagebildung.
Der dokumentarische Stil in der deutschen Fotokunst
Theoretisch hat dies für sog. Fotokunst Klaus Honnef nach einer Diskussion in Leipzig zusammengefaßt: “ Es sind in erster Linie drei formale Innovationen, die im 20. Jahrhundert zu einem dokumentarischen Stil in der Fotografie geführt haben: die Nutzung der seriellen Reihung durch August Sander (im Gefolge der enzyklopädischen Ansätze in der wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Fotografie des 19. Jahrhunderts), Walker Evans und Bernd und Hilla Becher, zweitens der Einsatz unkonventioneller Blickwinkel und innerbildnerischer Montageelemente durch die sowjetische „Revolutionsfotografie“ sowie das „Neue Sehen“ mit einem immanenten Hang zur Propaganda und zur Werbung und last but not least die Verwendung ungewöhnlicher Sichtweisen im Zuge einer neoveristischen Ästhetik durch Robert Frank, Chargesheimer und William Klein. Sämtliche Innovationen reflektieren nicht zuletzt auf die besondere Wesensstruktur des fotografischen Mediums, seine seriell-industrielle Produktionsweise, seine mechanische Aufnahmetechnik und seine konstruktivistische Eigenart.“
So klug diese Worte sind, so wenig nutzen sie bei konkreten Projekten für einen Auftraggeber vor Ort. Honnef nutzt Worte, die gut sind, um Fotokunst zu kreieren, aber nicht um kommunikative Prozesse zu dokumentieren.
Dazwischen bedeutet echte Dokumentarfotografie
Der dokumentarische Stil, den ich meine, ist genau zwischen Industriefotografie und Fotokunst zu finden. Es sind die Bilder, die Geschichten erzählen, und das Umfeld zeigen. Es sind ungestellte Abläufe mit dem Fokus auf den Spirit des Ganzen. Es kommt eben auf den Rahmen an. Dabei sein und dazwischen fotografieren in diesem Rahmen ist das Geheimnis dieser Art der Fotografie.
Fazit
Ich hoffe, mit diesen Gedanken dem dokumentarischen Stil einen angemessenen Raum gegeben zu haben und praxisrelevante Fragen gut beantwortet zu haben.
Mehr Antworten finden Sie in diesem Artikel und mehr Praxis der Theorie auf dieser Webseite.
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