Vom Schein zum Sein: Fotografie als Lebensmethodik – Untergang und Scheitern als Weg zu sich selbst

Mensch und Natur Foto Mahlke

Fotografie als Lebensmethodik

„Mein ganzes Leben beschäftigte ich mich nämlich mit untergegangenen Städten. Berlin in einer Hundenacht und Der große und der kleine Schritt zeigen, wie ich den Untergang eines Landes und einer Kultur am eigenen Leib erfahren habe. Ich zeige den Untergang der Scheinwelt; die Verstellung, das Künstliche, die Selbstlügen—kurzum alles, was uns davon abbringt, die Person zu sein, die wir eigentlich sind.“

Das sind starke Worte einer offenkundig starken Persönlichkeit. Diese Worte hat Gundula Schulze-Eldowy aufgeschrieben. Ihr Weg durch die Welt ist ein Weg mit der Fotografie.

„Wer fotografiert hat mehr vom Leben“ bekommt in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Bedeutung.

Aber sie endet nicht hoffnungslos sondern die Richtung ist klar: Freiheit, weniger Angst, mehr Spiritualität.

Sie ist nicht die einzige, für die die Fotografie eine besondere Bedeutung als Lebensmethode zur Aneignung und zum Spüren des Lebens bekommen hat.

In meinem Artikel Zwischen Sonne und Licht habe ich darauf hingewiesen, wie vielfältig mir die Fotografie geholfen hat, das Scheitern als Chance zu erleben und wieder aufzustehen.

Es ist derselbe Weg wie bei Gundula Schulze-Eldowy. Man entdeckt dies alles aber erst, wenn man den Weg geht, also in der Praxis. Man kann ihn nicht vorher denken.

Aber es sind noch mehr da, die diesen Weg gehen oder gegangen sind.

Wir befinden uns in guter Gesellschaft.

Dabei gibt es Personen, auf die ich immer stoße.

Mein fotografisches Vorbild ist Henri Cartier-Bresson. Was im Rahmen ist und wie ist entscheidend. Aber erst wenn ich den Rahmen verlasse, bin ich jenseits der Beschränkung.

Die wichtigste fotografische Person beim Thema Scheitern ist für mich Robert Frank.

Die wichtigste philosophische Person beim Thema Scheitern und Leben ist für mich  Albert Camus.

Meine Auseinandersetzung mit ihm habe ich vor Jahren schon medialisiert:

Wenn Fotografie aber mehr ist als das Fotografieren, dann kann in diesem Zusammenhang die Frage nach dem kommerziellen Erfolg keine Rolle spielen.

Dann ist authentisch das Kriterium und nicht kommerziell.

Fotografie als Mittel, um den Lebensweg und den Standort zu finden und immer wieder festzuhalten im „Flow“ der Lebenszeit ist ein unglaublich starkes Mittel, um Veränderungen deutlich zu machen.

Und wenn man dies auf Fotos sieht, sieht man auch, was sich verändert hat außerhalb des eigenen Kopfes und ohne innere Filter.

Bis hierhin ist dies alles ein sehr persönlicher Prozess, der die eigene Menschwerdung oder Veränderung als „Lebens“-mittel begleitet. Er kann auch dazu dienen, immer wieder die Lebensmitte zu finden.

Fotografie und Coaching

Die Elemente dieses Denken tauchen auch beim Fotocoaching auf. Darauf habe ich in einer Besprechung des Buches Fotokaraoke hingewiesen. Das Buch eignet sich sehr gut als Übergang zu der Frage, ob ich mich selbst coache oder gecoacht werden will.

Coaching dient dazu, sich selbst zu entdecken, so wie ich es hier meine. Es ist in diesem Zusammenhang kein Verkaufstraining sondern eine Entdeckungsreise mit Denkanstössen. Anstössig im besten Wortsinn!

Eigentlich geht es dabei um die Entdeckung der Wahrnehmung, eine Art neu zu sehen. Wissenschaftlich würde man vielleicht von der Ästhetik der Welt und der medialen Vermittlung sprechen.

  • Kennen Sie das?
  • Vorher haben sie es nie gesehen?
  • Erst seit dem Erlebnis achten Sie darauf?

Vorher waren ihre Sinne darauf nicht eingestellt. Ich nenne es das Verlassen der Matrix.

Erfahrungen und neues Denken führen auch zu neuer Sinneswahrnehmung. Das Medium Fotografie und das Mittel der Kamera führen zur Auseinandersetzung mit dem, was vor dem Kopf zu sehen ist und dem, was davon im Kopf ankommt und erkannt wird.

Gruppendynamik mit der Methode Photovoice

Daraus haben Psychologen noch mehr gemacht, nämlich eine Methode für Gruppen, die Methode Photovoice.

Diese dient dazu, mit Hilfe der Fotosprache besser mit Situationen zurecht zu kommen, Dinge ohne Worte zu sagen, weil man die Worte nicht hat oder nicht sagen will und dies in einer Gruppe zu tun.

Fazit

Dieser Artikel ist speziell für Menschen geschrieben, deren Lebenslauf sie immer wieder zum Scheitern zwang, zum Hinfallen und wieder Aufstehen.

Wer das kennt, der kann durch die Beschäftigung mit dem Thema und den Verlinkungen vielleicht einen neuen Weg für sich selbst entdecken.

Damit kann man aber kein Geld verdienen sondern hier kann man eher investieren in sich selbst durch gelebte Zeit oder durch Geld – wobei Geld nicht entscheidend ist sondern der richtige Umgang mit der eigenen Lebenszeit.

Alle diese Worte schrieb ich 2014 und fand sie unter den Entwürfen im Jahr 2018 wieder.

Soll ich sie veröffentlichen oder in den Papierkorb werfen? Wie Sie gerade lesen habe ich die Worte dann doch bearbeitet und hier publiziert.

Aber es ging ja weiter und Camus Beschreibung der Absurdität er-lebe ich immer wieder direkt körperlich.

Und da ist die Fotografie meine Methode geworden, das auszudrücken.

Mein Weg führte mich fremdbestimmt ziemlich tief ins Tal

Aber das Ende war dann doch ein neuer Weg ohne es vorher zu wissen.

Und der hat mich dann aus dem Tal gebracht.

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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