Soziale Wunden und Leiden dokumentieren – Soziale Dokumentarfotografie in Deutschland an Beispielen

Was passiert, wenn wir das Leiden anderer betrachten?

Das bekannteste Buch dazu stammt von Susan Sontag.

Sie positioniert sich klar: „Mitgefühl ist eine instabile Gefühlsregung. Es muß in Handeln umgesetzt werden, sonst verdorrt es.”

Daraus ergibt sich eigentlich die direkte Aufforderung zur politischen und sozialen Aktion.

Aber vom Mitgefühl zum Handeln ist der Weg oft unendlich weit.

Und es kommt hinzu, daß Mitgefühl und Rache für mich derselben Quelle entspringen.

In dem Artikel „Dokumentarfotografie und die Würde des Menschen im Zeitalter der neuen Konflikt-Fotografie“ habe ich versucht dies alles einmal gedanklich zu durchleuchten.

Eigentlich muß man sich ja nur mit Ernst Friedrich beschäftigen, um zu sehen, wie es ausgeht.

Ein Dank der Gesellschaft sieht anders aus und den gibt es für die, die diese Themen hier gerade nicht thematisieren sondern das, was der sog Elite gefällt.

Man muß sich also darüber klar werden, daß diese Themen fotografisch hier zu den wichtigsten Aufgaben sozialer Dokumentarfotografie in Deutschland gehören und gleichzeitig von den Opfern und Tätern aus unterschiedlichen Gründen totgeschwiegen werden.

In digitalen Zeiten kann man durch das Dokumentieren und das Publizieren von solchen Fotos dennoch Menschen erreichen, die das vielleicht auch als wichtiges Thema und Leitschnur für eigenes Handeln sehen.

Aber um hier nicht nur einzuordnen, möchte ich dabei noch eine konkrete fotografische Frage stellen.

Wie dokumentiert man eigentlich das Dokumentierte?

Ich habe dies vor einiger Zeit anhand der kleinen Ausstellung zum Thema „Von Ernst Friedrich zu Guantanamo: Kriegsmedien – Medien im Krieg“  fotografisch einmal umgesetzt.

Auch hier war wieder allein das private Engagement der beteiligten Personen für die Umsetzung der Ausstellung verantwortlich. Geld für alles Mögliche ist da aber für diese Themen dann nicht. Und ebenso wie die Ausstellung war auch meine Dokumentation, mein Artikel und dies alles hier reine Privatsache, getrieben vom Willen im Menschen nicht nur Schatten sondern auch Licht zu sehen.

So habe ich eine kleine Fotoausstellung dokumentiert, die ich für sehr wichtig halte und die es nur noch zu sehen gibt, weil ich sie hier fokussiert online noch zeige. Aber sie erzeugt für mich durch die Fotos und die kleinen Texte bis heute Botschaften für Humanismus und kritisches Denken.

Und durch meinen Artikel und die Dokumentarfotos mische ich mich auch ein. Natürlich muß ich mir der Wirkung des Ganzen im Zeitalter medialer Überflutung bewußt sein. Aber für die, die sich damit befassen und mehr Wissen und Sehen wollen, ist dies ein auffindbarer kleiner Schatz, der mehr Bewußtsein schafft.

Nun ist das Thema dieses Artikels natürlich größer als mein Tun. Aber ich bin mehrfach Teil davon mit meiner Dokumentarfotografie der sozialen Kämpfe und meinen Publikationen von der Arbeiterbewegung bis zum Nationalsozialismus – zumal ich dieselben Fragen zu beantworten gehabt habe wie Susan Sontag und Sebastiao Salgado, nur ohne ihre medialen und materiellen Möglichkeiten.

Denn im konkreten Handeln und in der konkreten Fotografie zeigt sich Wirkung und Wirklichkeit von sozialer dokumentarischer Fotografie.

Nur die Fotos, die man sehen kann, können auch etwas zeigen und wirken.

Aber die Auseinandersetzung damit, das „Machen“ der Fotos, führt auch zur Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, den Bedingungen des Handelns und emotionalen und seelischen Wirkungen.

Wobei man sich darüber klar sein muß, daß der Einfluß auf das, was soziale Dokumentarfotos bewirken, sehr wechselhaft ist, wie Susan Sontag gezeigt hat.

Damit schließt sich der Kreis in diesem Artikel, der mit Susan Sontag beginnt und mit ihr endet und den ich an einem Sonntag geschrieben habe.

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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