Als Amateur in der Dokumentarfotografie und im Leben



Der Profi muß von der Fotografie leben, der Amateur will mit der Fotografie leben.

So unterscheide ich und so habe ich gelebt. Eigentlich wollte ich nur visuell aufzeichnen, was ich nicht in Worte fassen konnte.

Ich zitiere mich mal selbst: „Hier geht es um Dokumentarfotografie in Praxis und Theorie, früher und heute, von mir und von anderen. Meine Themen und große Teile meines Lebens ergaben sich aus den sozialen Fragen in unserer Industriegesellschaft mit ihren sozialen Landschaften, ihren Bedingungen und Lebensweisen in Umbruchzeiten zwischen dem Zusammenbruch des Sozialismus und der neu entstandenen Demokratie mit neoliberaler Ideologie und dem Abbau der sozialen Marktwirtschaft, deren Konsensversprechen der funktionierende und sichernde Sozialstaat war! Was daraus folgte, habe ich fotografiert … und reflektiert. Dies alles ist hier zu finden.“

Und so sind allein an dieser Stelle nun zehn Jahre um und das nächste Jahr beginnt.

Was man hier sieht, ist ein digitales Produkt meiner Liebe zur Fotografie (Amare = lieben) und zum Versuch sozial auch fotografisch in meinem Lebensumfeld tätig zu sein.

Alles hier ist aus der Sicht des Amateurs entstanden.

Hier sehen Sie meinen fotografischen Lese „Arbeitsplatz“, wenn ich nicht gerade außerhalb mit der Kamera unterwegs war. Ich bin froh, dass ich meine Lesefähigkeit relativ wiedererlangen konnte. Leben ohne Lesen wäre für mich nicht schön.

Und nun?

Nun frage ich mich, ob dieses Werk eines Amateurs eine Wirkung und einen Sinn hatte, auch sozial. Mit Fotomonat fing es an, mit artlens, frontlens und streetlens ging es weiter, die Umbennenung in Dokumentarfotografie, Kunstfotografie und Konfliktfotografie und mein Ansatz, dies alles wenigstens in einigen Bereichen darzustellen und umzusetzen – es geschah mit dem schon öfter angesprochenen dokumentarischen Impuls und der Hoffnung, durch Aufklärung mehr soziale Gerechtigkeit umsetzen zu können.

Insofern war das Dokumentarische für mich auch eine fotografische „Waffe“, um durch Aufklärung und Wissen zu wirken.

Ich habe hier so gute und schöne Bücher und Themen vorgestellt und die guten Gedanken darin gezeigt, ich habe über Menschen berichtet, die es verdient haben, nicht einfach vergessen zu werden, und ich bin mit diesem Ansatz fast ohne soziale Wirkung geblieben außer einigen tausend Besuchern täglich, habe dies auch selbst thematisiert, um durch Rationalisierung und Relativierung und von Anderen zu lernen, damit gelassen und gut für mich umzugehen.

Es gibt heute keinen Respekt der Mächtigen mehr vor den Verdiensten der unangepaßten Leistungen von Freidenkern. Entweder du sinkst vor ihnen hin und bewegst dich in ihren Kreisen oder du störst ihre Kreise und sie wollen dich nicht.

Dennoch halte ich dieses Projekt hier für eine gute Sache, zumal ich viele soziale Zusammenhänge in ihrer fotografischen Dimension zeigen konnte.

Aber ohne Ego geht es nicht. Und man muß sehen, daß die Macht auf unserer Welt verteilt ist. Die Mächtigen wollen sie behalten und die Ohnmächtigen wollen lieber Aufseher der Sklaven werden als die Sklaverei abzuschaffen. Das ist offenbar das Gesetz der Welt.

Welchen Sinn hat da noch dokumentarische Fotografie jenseits des visuellen Chronisten?

Religion ist dabei Opium für das Volk – nicht zu verwechseln mit dem persönlichen Glauben.

Für mich sehr lehrreich war der Film The Homesman, der mich sehr beeindruckt hat und mich an andere Lebensversuche erinnerte..

Ich habe mir besondere Verdienste um die sozialdokumentarische Fotografie erworben, aber von den Vergessenen, Unterdrückten und sozialen Verlierern bekommt man keine Auszeichnungen und die, die mir dafür Geld und Hilfe geben könnten, wollen von diesen Themen aus der Mitte der eigenen Gesellschaft nichts wissen.

Ich fange 2020 mit Erich Fromm Jenseits der Illusionen an:

„Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche.“

Karl Marx

„Der Mensch kann nicht ewig Kind bleiben,er muß endlich hinaus ins »feindliche Leben«. Man darf das »die Erziehung zur Realität« heißen. Nein, unsere Wissenschaft ist keine Illusion. Eine Illusion aber wäre es zu glauben, daß wir anderswoher bekommen könnten, was sie uns nicht geben kann. Wo Es war, soll Ich werden.“

Sigmund Freud

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

2 thoughts on “Als Amateur in der Dokumentarfotografie und im Leben

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