Das Gefühl für das Fotografische in wandelnden Zeiten

Man nimmt die Welt an sich so wie man sie vorfindet bzw. sieht. Das Sein bestimmt das Bewußtsein. So war es auch bei mir.

Ich kam aus der analogen Welt bzw. der Welt der Filme mit 35mm und den Filmkassetten. Dann brach das digitale Zeitalter an und zuerst war der Wunsch da, die Vorteile des Digitalen in derselben Qualität wie zu Filmzeiten zu bekommen. Das war der Maßstab.

Dabei spielte auch Leica als Symbol für mechanische und optische Qualität eine Rolle. In Sensorzeiten wurde dann klar, daß die alten Regeln nicht mehr gelten, weil auch Leica mit Sensoren arbeitet, die nur Fotos machen und das Glas, die Linse, das Objektiv davor nicht mehr auf den Sensor bringt als bei Digitalkameras von anderen Herstellern, da alles nur noch aus Nullen und Einsen im digitalen Binärcode besteht und echte Weiterentwicklungen in digitalen Zeiten von anderer Seite kamen wie das Beispiel Fuji X100 zeigt.

Das begriff ich erst später. Man kann sich eben schlecht eine neue Welt vorstellen jenseits des eigenen Horizonts.

Aber weil das so ist, ging es auch so weiter.

Als dann die Smartphones aufkamen, war der nächste Schritt der Vermarktung, dass sie fotografisch so gut sein sollten wie die neueren Digitalkameras.

Wieder war das Vorhandene der Maßstab. Und dann kamen wir in der Welt von heute an, in der es Smartphones gibt und weiter Digitalkameras, die alle auf unterschiedliche Weise versuchen das Fotografieren zu ermöglichen.

Sie sind gleichwertig, weil sie Fotos machen – sie sind verschieden, weil sie auf unterschiedliche Weise mit differierenden Techniken verschiedene Möglichkeiten haben.

Vermarktet wird, daß das Neue das Beste ist – wer es glaubt…

Es gibt kein entweder-oder sondern nur noch ein sowohl-als-auch. Das wurde mit klar, als ich heute zwei Apparaturen nebeneinander legte, die zum Fotografieren geeignet sind.

Es handelte sich um ein Smartphone mit 1/1,7 Sensor und die Fuji X10 mit 2/3 Zoll Sensor. Die verschiedenen Sensorgrößen sehen Sie hier. oder hier.

Man hat ja so lichte Momente, in denen einem Selbstverständliches aus dem vorbewußten Sein mitten ins Bewußtsein rückt. Das sind wohl Aha-Momente.

Ja da war dieses Aha!

Das Smartphone dabei und ein schnelles Foto zur Kommunikation machen oder zum Festhalten eines Momentes ist die eine Seite.

Aber das ist doch gar kein Vergleich gegen die Möglichkeit mit einem Sucher ein Foto zu gestalten und selbst manuell alle Vorgaben zu machen auf mechanische Art und Weise.

Da liegen Welten zwischen. Selbst wenn das Ergebnis ein Foto ist, so ist doch die Entstehung des Fotos anders.

Und für mich gilt auch hier, daß der Weg das Ziel ist, also der Prozess der Entstehung der Fotografie mit Motiv und Rahmen ein anderes Handling hat und Bewußtsein hinterläßt.

Hinzu kommt bei mir, daß ich mich an Fotos mit Sucher meistens noch Jahre später erinnere und an Fotos im Smartphone schon nach wenigen Minuten nicht mehr.

Zudem stecken noch ganz andere Dimensionen des sozialen und individuellen Lebens darin. Denn der Prozess der Entstehung von Fotos ist mit einer Kamera für mich ein Akt der Kreativität. Das empfinde ich bei einem Smartphone so nicht.

Die entscheidende Frage ist die nach dem, was mir Freude bereitet oder mir die Möglichkeit gibt, mich damit auf meine eigene Art und Weise auszudrücken.

Das ist der Moment der großen Gefühle. Es sind nicht die Gefühle der Kamerawerbung, die uns immer nur das Neuste verkaufen will, sondern es sind die Gefühle, die bei der Anwendung des vorhandenen Equipments entstehen.

Fotografie ist dann gut, wenn ich dabei glücklich bin, dieser flüchtige Moment, der alles um mich herum vergessen macht.

Dann war der Fotoapparat richtig, egal welcher.

Während es für mich eine Wonne ist, nun die Fuji X10 mitzunehmen und damit auf händische unperfekte und künstliche Intelligenz freie Weise zu fotografieren, wäre es für mich eher freudlos, einfach mit einem Smartphone zu fotografieren.

So ist der fotografische Amateur der wahre Liebhaber des Fotografierens.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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