Bilder einer Diktatur. Zur Visual History des „Dritten Reiches“ von Gerhard Paul

„Das faschistische Bild erweist sich als dominant gegenüber dem Bild des Faschismus“ Mit diesem Zitat von Georg Seeßlen problematisiert Gerhard Paul in der Einleitung seines großartigen Buches „Bilder einer Diktatur“ das Problem unserer Bilder im Kopf und der Realität der Welt. Denn die Bilder der Nazizeit, die wir im Kopf haben, sind oft von Nazis gemacht wurden und zeigen, was wir sehen und behalten sollen.

Paul geht es darum die „medialen Konstruktionen und Bildpraxen der NA-Zeit und ihrer Nachgeschichte zu begreifen und zu de-konstruieren.“

Dazu hat er unterschiedliche Bilder herausgesucht, Fotos und Plakate. „Im Sinne des filmischen Prinzips von Schuss und Gegenschuss habe ich versucht, unterschiedliche Perspektiven auf das Dritte Reich einander entgegenzustellen“ von Verschleppern und Mördern bis zu Verschleppten, von Herrschafts-Perspektiven bis zu Gruppenhinrichtungen in Köln.

„Die Aufsätze in diesem Band sind chronologisch angeordnet. Dadurch lesen sich die Texte und Bilder auch als Geschichte des Dritten Reiches und die seiner Radikalisierung.“

Der Autor hat in seiner umfassenden Einleitung sehr schön zusammengefaßt was die Leser erwartet. Und wir werden nicht enttäuscht.

Jeder Aufsatz ist eine Bildbesprechung vom Feinsten. Hintergründe, Zusammenhänge und auch der persönliche Zugang des Autors werden dargestellt. Man merkt mit wie viel Engagement Gerhard Paul vorgeht und wie viel er weiß.

Sein Vorteil besteht aber auch darin, daß er eine Sprache schreibt, die lesbar und oft spannend ist, so daß dieses Buch die Bilder im Kopf rausholt und neue Blicke auf die oft unbewußt im Kopf ruhenden Sichtweisen ermöglicht.

Das Buch ist in vielfältiger Hinsicht anschauens- und lesenswert und es ist zugleich die Umsetzung der Frage, wie man Geschichtsschreibung mit visual history betreibt.

Wenn sie so aussieht wie in diesem Buch, dann hat die neue Art der Geschichtsschreibung einen wunderbaren Weg gefunden, um die Vergangenheit neu zu sehen und die Gegenwart besser zu verstehen.

Das Buch ist im Wallstein Verlag erschienen.

Gerhard Paul
Bilder einer Diktatur

Zur Visual History des »Dritten Reiches«
Reihe: Visual History. Bilder und Bildpraxen in der Geschichte; Bd. 6

528 S., 219 z.T. farb. Abb., geb., Schutzumschlag, 15,5 x 23
ISBN 978-3-8353-3607-0 (2020)

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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