Abschied vom Blaumann

blaumann

Für mich war der Blaumann Ausdruck gewerkschaftlicher Macht. Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will, war dabei so eine Assoziation.

In Amerika gab es lange die Unterscheidung zwischen white collar und blue collar. Sie zeigten ebenfalls die Welt als Ausdruck von Interessengegensätzen.

Das ist großflächig vorbei. Weil man Marx vermurkst hat, glaubt man heute an den Murks nach Marx.

Dabei ist die Arbeitskleidung von heute mehr Ausdruck von Klassenzugehörigkeit als der Blaumann früher und dokumentiert die Zersplitterung des Bewußtseins und der Zugehörigkeit. Es fehlt das „Wir“.

Wenn ich in dem Buch von Harald Hauswald über die letzten Jahre der DDR blättere oder meine eigenen Fotos mit dem Niedergang der bergischen Industrieregion betrachte, dann sehe ich, wie sich alles verändert hat.

Das Beispiel zeigt auch, daß Dokumentarfotos nicht unbedingt monchrom sein müssen. Sie müssen dokumentieren und die Farbe darf die Sachaussage nicht dominieren. Dann können sie teilweise das zeigen, was monochrom nicht drin wäre.

Jetzt wären also neue Fotos in Farbe dran mit den neuen Menschen in ihren Uniformen, die Ausdruck einer neuen Zugehörigkeit und neuen Knechtschaft sind. Es wird sicher Fotografen geben, die dies festhalten und nicht sofort als Kunst sondern als soziale Fotografie darstellen werden – obwohl dafür sicher nichts bezahlt wird.

Aber ich wollte mal in einer Notiz darauf hinweisen.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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