Allan Sekula starb am 10. August. Er war ein bekannter Fotograf, der Dokumentarfotografie und Fotokunst zusammenbrachte. In fast jeder Dissertation zu diesem Bereich findet sich eine Auseinandersetzung mit ihm. Er bot Stoff für die akademische Welt und für die Kunstwelt.
Nachrufe
Wie verschieden er gesehen wurde, wird deutlich, wenn man sich einige Nachrufe anschaut.
In der taz steht: „Sekula fokussierte aber nicht ausschließlich die bekannten Formen der Rationalisierung von Arbeit und der damit einhergehenden Deklassierung. Ihm ging es auch darum, die Trennung von Kultur und Gesellschaft aufzuheben, die im Spätkapitalismus ganz selbstverständlich die Kategorie der sozialen Hierarchie aushebelt und Kultur als Ablenkungs- und Vergnügungsprogramm, bestenfalls als finanzielles Investment einer Eilte versteht. Wenn alles Soziale und Kulturelle ökonomischen Prinzipien unterworfen ist, der Warencharakter umfassend das Leben bestimmt, gleichzeitig aber ein kruder Individualismus propagiert wird, so stand Sekula dafür, den kritischen Diskurs über Wirtschaft und Bilder in der Kunst vorantreiben.“
In derstandard wird er so beschrieben: „Das Meer und die Häfen waren Schauplatz seiner berühmtesten Fotoserie: „Fish Story“, 2002 bei der Documenta 11 erstmals komplett präsentiert, ist ein Zyklus (1989–1995) über Containerschifffahrt und den Alltag von Hafenarbeitern (aktuell zeigt das Moma in New York das letzte Kapitel daraus). Das Meer und der Hafen, sie tauchen in Sekulas kapitalismuskritischem Œuvre immer wieder auf: als Metaphern für wichtige Schnittstellen einer sich ändernden globalen Ökonomie.“
In der Los Angeles Times wird darauf verwiesen, dass er über politische Fotografie schrieb und sein letztes Filmprojekt als marxistisch und pessimistisch galt.
Bei Art in America schrieb man darüber, dass er die Fakten sozialer Beziehungen dokumentieren wollte, um zu zeigen, daß es Alternativen gibt, und genau dies auch fotografisch tat, indem er die Häßlichkeit der Ausbeutung zeigte und die Schönheit des gewöhnlichen Lebens: „“As a writer, Allan described with great clarity and passion what photography can, and must do: document the facts of social relations while opening a more metaphoric space to allow viewers the idea that things could be different,“ said school of art dean Thomas Lawson in a statement. „And as a photographer he set out to do just that. He laid bare the ugliness of exploitation, but showed us the beauty of the ordinary; of ordinary, working people in ordinary, unremarkable places doing ordinary, everyday things.“
Aus akademischer Sicht
Wenn wir uns nun der Zeit zuwenden als Sekula noch lebte, dann ist sicherlich interessant, wie man ihn aus deutscher akademischer Sicht sah. Gisela Parak weist darauf hin, daß Sekulas Konzeption der Dokumentarfotografie sich explizit gegen Szarkowskis formalisierte Bildbetrachtung wendet. „Sekula schlägt vor, die Fotografie als soziale Praxis und Auseinandersetzung des Künstlers mit seiner Umwelt zu verstehen, das fotografische Medium ist für ihn Mittel der Kommunikation und als subjektive, interessensbasierte Äußerung zu verstehen.“
Fish Story
Das bekannteste Werk ist die Fish Story von Allen Sekula. Und Gisela Parak sagt uns, was akademisch die Faszination von Sekula ausmacht: „Neben aller intendierten Vieldeutigkeit vermittelt Fish Story eine eindeutige Haltung ihres Autors, denn Sekula will der Beliebigkeit der Postmoderne sein kritisches Statement entgegensetzen.“
Es ist also die Haltung, die aus den Fotos und Serien erwächst. Daraus entsteht dann das, was als dokumentarische Fotokunst sich entwickelt.
In The Forgotten Space zeigt Sekula 2010 einen Film, der auf das Problem der vergessenen Räume und Plätze aufmerksam machen will, die auf der See und darüber hinaus vorhanden sind. Sie zeigen nicht das Elend an sich, es ist also keine Opferfotografie. Aber sie zeigen ein Thema aus unserer Welt, das sonst kaum oder gar nicht gesehen wird.
Natürlich ist das Dokumentarfotografie, die in Serien dargestellt wird und/oder darüber hinaus auch als Film. Das Ganze zusammen ist dann eine Installation, die sicherlich auch Fotokunst ist, je nach Begrifflichkeit.
Einzelbild und Installation
Wenn man nun formalisierte Bildbetrachtung eines einzelnen Fotos und Installationen mit Serien und Videos nebeneinandersetzt, dann bietet sich ein Vergleich an. Dazu wurde online insbesondere über das Foto von Thomas Hoepker vom 11. September diskutiert.
Es sind keine Gegensätze aber es ist ein Unterschied.
Fest steht für mich, daß ich mit Einzelfotos und/oder Serien und Installationen eine Haltung formulieren kann – auch in der Phase der Beliebigkeit der Postmoderne. Insofern ist Sekula eine echte Erweiterung von Szarkowskis. Er löst die Einzelbetrachtung aber nicht ab sondern erweitert sie. Beides ist möglich. Aus einem Bild wird eine Serie und aus einem Thema wird eine Installation mit verschiedenen Medien.
Die letzten Abschnitte sind bestimmt typisch deutsch. Andere nutzen einfach die Medien, um etwas zu zeigen und sich zu engagieren bis hin zur politischen Fotografie. Doch das ist ein anderes Thema.
Abschließend möchte ich noch auf ein Video hinweisen, welches dies alles noch einmal lebendig werden läßt: