Bei Leica klappt es und nicht nur dort. Heute wie damals versuchen einige Menschen, sich ihre Identität herbeizukonsumieren und laufen den Rollen hinterher, die mit den gekauften Artikeln verbunden waren.
Das klassische Beispiel ist die Streetfotografie. Wie viele versuchen sich als neuer Henri Cartier-Bresson, kaufen sich eine Leica M und setzen sich eine Stoffkappe auf. Sie schlüpfen in die Rolle und verstehen sich als die neuen Meister mit der M.
Diese reale Rollen-Illusion kann sicherlich Spass machen. Sie hindert aber daran in der Gegenwart authentisch zu sein, wenn dies überhaupt noch geht.
Damit nicht genug. Es gibt richtig gute neue Kameras, die aber in alter Weise nicht mehr populär werden können/konnten, weil es die Meister und Meisterinnen in der Fotografie nicht mehr gibt, die den Takt angeben.
So ist die alte Fuji X100 die neue M in einer neuen Zeit geworden. Aber es gibt keine weltweit verbindlichen Personen mehr, mit denen man sich identifizeren kann wie es bei HCB der Fall war.
Die sogenannten Entrepreneurs oder Ambassadors, die heute temporär ernannt für eine Kameramarke unterwegs sind, haben ja nie mehr zu bieten als nicht repräsentativ zu sein sondern lediglich vernetzt zu sein.
Ich habe mal gemein geschrieben „Die Dauerikonen der Fotografie sind weg, die industriellen Eintagsfliegen der Fotografie sind da.“ Fast immer sind es Menschen, die von der Fotografie leben ohne davon leben zu müssen. Nur so schafft man den Einstieg, wie hier schon mehrmals empirisch beschrieben wurde.
In Zeiten mit austauschbaren Funktionsrollen ist es schwer, besonders zu sein, wenn man in den neuen digitalen Netzwerken nicht rausfallen will.
Standards gibt es fast nur noch im Bereich der Zensur. Wer z.B. bei instagram, facebook, twitter oder tiktok ist, der ist nur noch in diesem Netzwerk unterwegs, das eigene Regeln hat, die jenseits echter Kreativität sind.
Stellt man sich der neuen Technik, dann können für soziale Belange heute Smartphones mehr überzeugen als klassische Digitalkameras. Sie sind schnell und machen gute Fotos.
Für Projekte wie Hochzeiten oder Porträts mit Inszenierung sind natürlich weiterhin klassische Kameras die erste Wahl, weil sie mehr Möglichkeiten bieten, mit Licht zu malen.
Aber für unterwegs sind Smartphones heute fast immer optimaler.
Diese fotografische Freiheit führt aber dazu, daß die klassischen Rollen der Fotografie nicht mehr herbeikonsumiert werden können, sondern eine neue Freiheit herrscht.
Was machen die fotografierenden Menschen damit?
Das ist die Frage, die meine Beobachtungen zukünftig lenkt.
Geht es nicht mehr um Rollen sondern um Selbstverwirklichung und Selbstausdruck?
Man könnte darauf kommen, wenn man die Bücher von Parolin und Jerrentrup liest.
Da spielen nämlich Konsumprodukte, die die Rollen vorgeben, keine Rolle mehr. Dafür wird umgekehrt gefragt, womit ich meine Selbstverwirklichung fotografisch am Besten umsetzen kann.
Aber was ist Selbstverwirklichung? Ein weites Feld …
Daraus folgt für mich, daß die Fotografie nicht tot ist sondern lebendiger als je zuvor, weil sie eine Methode geworden ist, um einen Teil seines Lebens damit umzusetzen durch Aufarbeitung oder durch kreative Tätigkeit.
In diesem Sinne willkommen in der Gegenwart!