Abschied von der Armut als Motiv in Deutschland

Ich habe Armut als Motiv für Fotografien immer benutzt, weil ich darunter die bewußte Verarmung von fleissigen Menschen durch politische Gesetze verstanden habe und darauf aufmerksam machen wollte.

Insbesondere Hartz4 und die Agenda 2010 sind in Deutschland so ein soziales Verbrechen, weil sie fleissige Menschen, die arbeitslos wurden und werden, um ihre Ersparnisse bringen und sie mental und real entwürdigen ohne echte Chancen für die Zukunft. Und wer dauerhaft krank wird oder früher in Rente muß, der wurde und wird durch zusätzliche Abzüge in die absolute Verarmung geschickt.

Das sind nun schon Millionen. Die fleissigen kleinen Leute werden so seit über zehn Jahren dauerhaft bestraft bis an ihr Lebensende.

Und dann hat man sich eine neue Sozialleistung einfallen lassen, die die Ehe bewußt bestraft. Man nennt es „Grundrente.“ Die Kritik daran ist bekannt und sie stimmt. Ich erspare mir daher weiteres.

Vor Jahren habe ich ein Konzept entwickelt, um ältere Arbeitnehmer gesund in Arbeit zu halten. Das war orientiert an nordischen Ländern, also an gelebter Praxis.

Nur zwei Beispiele aus dem Gedankengut: Wer neu eingestellt wird über 60 erhält keinen Anfangslohn sondern den Endlohn. Und wer über 60 arbeitet, erhält 60 Tage Urlaub statt 24. So ginge dann auch Zeitarbeit.

Das hat sich in Deutschland als undenkbar erwiesen bei all denen, die angeblich so daran interessiert waren. Stattdessen soll man mit über 60 für Billiglohn in Zeitarbeit arbeiten und nur den Mindesturlaub erhalten.

Diese menschenverachtende Praxis ist in Deutschland gang und gäbe und daher muß man sich auch nicht wundern, warum es hier Debatten gibt, die es in Dänemark und Schweden oder Norwegen so nicht geben würde.

Hinzugekommen ist die parallele Welt des Asylsytems. Dieser entmutigende Widerpruch für jeden Menschen, der hier fleißig war und ist, wird von der Politik ja noch verstärkt statt eingedämmt.

„Legal“ melken hier Millionen dauerhaft das Sozialsystem inklusive Krankenversicherung und ohne Beschränkungen und ohne Grenzen, obwohl unser Sozialsystem dafür nicht gemacht wurde.

Das ist einmalig auf der Welt und dies kann man zu Ende rechnen, weil sich das Deutschland so nicht mehr leisten kann, aber wir immer mehr Politiker haben, die einfach so weitermachen. Es entstehen hier Verhältnisse, die wir nur aus Afrika und Südamerika kennen.

Dafür werden denen, die hier arbeiten oder gearbeitet haben und in Rente sind, immer neue Zumutungen und erhöhte oder doppelte Sozialversicherungen und Leistungskürzungen aufgebrummt.

Es sind entmutigende Widersprüche, die sich hier ausbreiten und niemand stoppt sie. Erst Kriege oder Unruhen und soziale und andere Katastrophen werden zu Katalysatoren werden. Aber das muß nicht gut ausgehen.

Das gibt es nur im Fernsehen.

Und damit bin ich bei den Bildern, die das Bewußtsein bestimmen.

Hier sehen sie eines aus Wuppertal Elberfeld. Dort sieht man viele mit einem Pappbecher betteln.

Als ich es noch konnte, wollte ich jungen Frauen helfen, die dort saßen und bettelten. Sie sagten mir, das sei sehr freundlich (11 Euro brutto für leichtes Verpacken) aber wenn sie hier einen Tag sitzen hätten sie mehr ….

Ich habe dann gedacht, ich müßte auf die Flaschensammler aufmerksam machen. Alte Menschen, die damit ihre Rente aufbessern wollen. Dazu habe ich dann auch ein Foto aufgenommen.

Die Linie führt im Foto direkt nach rechts unten und soll den Blick auf den Abstieg symbolisieren. Aber wen interessiert es?

Ein schönes Motiv war dann direkt vor dem von-der-Heydt Museum zu finden:

Der Mann humpelte mit verkrüppelten Füßen und legte sich dann hin. Schade nur, daß ich ihn später ohne Behinderung zum Bus gehen sah…

Ja und dann die Rentner, die zu wenig Geld haben! Die gibt es wirklich. Aber da gibt es ja auch diese Dissonanzen im Motiv, die ich einfach fotografieren mußte:

Als ich auf Demos war, waren die alle nicht da.

Es ist also mein Problem. Das ist mir nun durch die Jahre und die Fotos bewußt geworden.

Ich halte das Thema immer noch für wichtig, weil es mittlerweile Millionen ehrliche und fleissige Menschen gibt, die so erniedrigt und entwürdigt wurden. Denn wo die Hoffnungslosigkeit steigt, wächst auch die Wut.

Aber ich sehe ein, daß meine Annäherung und Beschäftigung mit dem Thema gesellschaftlich nicht weiterführt und nicht relevant wurde und ich außer Frust und Verlust nichts davon hatte.

Meine politische Fotografie in diesem Sinne ist vorbei.

Insofern ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um loszulassen.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

One thought on “Abschied von der Armut als Motiv in Deutschland

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert