Übergänge und Zwischenzeiten zwischen DDR und BRD in der Dokumentarfotografie

In den letzten Jahren sind einige Bücher zur DDR und BRD erschienen, die sich mit der Zerstörung alter Strukturen und der Zeit danach beschäftigen zwischen Versprechen und Einhalten. Es ist immer Dokumentarfotografie als soziale Fotografie und/oder politische Fotografie, je nach dem, wie man im Kopf mit welcher Intention trennt.

Dreißig Jahre nach der „Wende“ ist sie eben noch nicht zu Ende sondern für viele dauert sie noch an. Die berühmte Freiheit hat vielen in Ost und West nur Absturz und Verlust gebracht und das Wohlstandsversprechen ist für viele trotz eigener Anstrengungen bis heute der Blick auf digitale und reale Schaufenster geblieben. Dafür erleben sie entmutigende Widersprüche ohne Ende und eine neue entgrenzte Zeit.

Das Buch Zwischenzeiten von Michael Kerstgens zeigt dies konkret für die Kleinstadt Mühlhausen. Er war 1990 im Auftrag des Stern dort und sein Auftrag damals ist nun in einem gut gemachten Buch zu sehen.

Den Fernen Osten hat Harald Hauswald fotografiert. Ihm ist es mit seinen Farbfotos zu DDR-Zeiten gelungen, mehr zu zeigen als monochrome Fotos könnten. Das ist selten und zeigt den gelungenen Einsatz fotografischer Möglichkeiten.

Wie fotografiert man eine Übergangsgesellschaft und wie lange dauert sie? Darauf hat Bernd Cramer fotografische Antworten gegeben, die überzeugen. Sein Buch zeigt sehr schön die uneingelösten Versprechen.

Mit Patina, Halle 1986 bis 1990 von Harald Kirschner ist ein kleines buntes Buch entstanden, das den Wandel in Halle zeigt vor der Wende und nach der Wende. Auch hier sind Farbfotos zu sehen, die zeigen wie bunt das Leben in der DDR war.

„Ich habe zwei Systeme durch eigenes Erleben kennengelernt und den Wandel von dem einen in das andere. Der normale Westdeutsche hat dies nicht und wird diese Erfahrung auch nicht nachholen können.“

So endet das Buch Durch den Osten – was war, was ist, was bleibt? von Kai Stefes. Es ist der Satz eines von Kai Stefes befragten Deutschen in der ehemaligen DDR. Ein Westdeutscher begibt sich als Gesamtdeutscher mit einem ehemaligen DDR-Motorrad – der MZ – auf eine Reise durch die östlichen Bundesländer.

Wenn ich seine Fotos sehe, dann hat der Osten Deutschlands sehr viele schöne Landschaften, die im Westen nicht zu finden sind.

Aber wenn ich sein Buch gedanklich rumdrehe und an den Westen denke, dann finde ich hier und heute mindestens ebenso viele kaputte, unrenovierte, heruntergekommene Örtlichkeiten. Und Plattenbauten heißen hier nur anders und sind bis heute in jeder Form und Farbe dort zu finden, wo viele Menschen in der Industrie beschäftigt waren – wie in der DDR.

Es ist dadurch auch ein Buch, das eigentlich zeigt, wie weit der Lack im Westen schon ab ist. Und das hat wenig mit der Wende zu tun.

Wenn ich es etwas bissig ausdrücken würde, würde ich einen Satz aufgreifen, den ein Mann aus Bautzen über die DDR in dem Buch geäußert hat: „Es gab immer genug zu essen, es muste niemand hungern, aber das war es im Großen und Ganzen.“

Dabei denke ich heute an Hartz 4.

Kai Stefes hat ein Buch gemacht, das aktuell ist und viele Antworten enthält auf das, was hier parallel läuft und teilweise nicht gesehen wird.

Und so sind die Zustände in Deutschland sichtbar und sogar die Ursachen für vieles von heute erklärbar.

Man muß nur hinschauen und deshalb möchte ich diese Bücher auch besonders empfehlen, wenn man mehr sehen und verstehen will.

 

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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