Handyfotos – die Zukunft der Fotojournalisten?


Manchmal ist ein Blick über den Tellerrand ganz hilfreich. Wer von Österreich nach Deutschland schaut, der sieht uns anders als wir uns selbst. In derstandard.at ist vor kurzem ein Artikel des Journalisten Oliver Mark erschienen mit dem Titel „McDonaldisierung“ der Pressefotografie“. Sehr interessant und sehr informativ!

„Deutschland sorgt für Aufwind“ lautet denn auch eine Zusammenfassung im Artikel. Aus der Sicht einiger Fotografinnen und Fotografen, die in Österreich arbeiten, ist der deutsche Markt wesentlich besser für Fotografen bzw. Fotoreporter bzw. Fotojournalisten.

Aber ebenso sind neue Trends erkennbar.

1. Der Trend zu Handyfotos für Magazine und Zeitungen nimmt zu, vor allem Online

In dem Artikel von Oliver Mark gibt es einen bemerkenswerten Satz: „“Vor kurzem haben wir einen Auftrag für ein renommiertes englisches Magazin mit dem iPhone fotografiert“, erzählt Anzenberger im Gespräch derStandard.at.“

Darauf habe ich schon verschiedentlich hingewiesen, zuletzt hier. Und daher ist die „McDonaldisierung“ nicht unbedingt schlecht zu bewerten, sondern ein Zeichen der Zeit. Es gehen mehr Menschen zu McDonalds als in Feinkostläden. Ebenso ist es mit der Fotografie. Wenn ich selber mit dem Handy fotografiere und mir diese Fotos reichen, dann ist der Weg nicht mehr weit, um meinen Fotostandard auch in Magazinen und vor allem im Internet zu akzeptieren. Damit ist ein fotografischer Standard gesetzt.

2. Die digitale Nachbearbeitung mit Filtern löst das optisch konstruierte Bild vielfach ab

Da bei kleinen Kameras eine große Tiefenschärfe vorherrscht, wird dann oftmals hinterher mit digitalen Filtern der Teil eines Bildes unscharf gemacht, der nicht vom Hauptmotiv ablenken soll oder der juristisch schwierig werden könnte. Und fertig ist das Bild. Das machen im Internet mittlerweile auch in Deutschland alle grossen Magazine und Zeitungen.

3. Aktuell ist ein – vielleicht letzter – Höhpunkt des noch klassischen Fotojournalismus

Im Moment gibt es in Deutschland einen Höhpunkt des Fotojournalismus. Parallel neben der Stockfotografie werden Reporter vielfach beauftragt und in den Online-Medien erscheinen viele aktuelle Fotos. Tagesaktuelle Berichterstattung könnte in vielen Fällen zukünftig auch mit Handyfotos erfolgen.

Da immer mehr visualisiert werden muss, wird die Anzahl der erzeugten Bilder zunehmen. Weil aber das Arbeitsgerät relativ wenig kostet – mit Ausnahme einiger weniger Spezialthemen – wird die Anzahl der Bilder im Verhältnis zur Bezahlung zunehmen.

4. Der Wandel zum Multimediajournalismus ist nur begrenzt möglich

Auf medialdigital.de ist eine schöne Schilderung des Unternehmens 2470media. Hier zeigt eine Handvoll kreativer junger Menschen, wie der neue Multimedia-Journalismus aussieht. Die dort dargestellten Mischformen sind aber auch die Grenzen für journalistische Arbeit und das Verhältnis von Aufwand und Ertrag.
Ein Video – wenn es gut sein soll – setzt andere Zeit- und Bearbeitungsschritte voraus als ein Foto für viele Leser bzw. ZuschauerInnen. Die Beispiele von2470media in der Taz zeigen dabei, dass einfach strukturierte Videos möglich sind, wobei einfach immer schwierig ist. Das hebt sie positiv von den vielen – ich nenne sie mal – 1Euro-Videos ab, die man auf immer mehr Seiten sehen kann, die aber vielleicht genau das Ergebnis von Aufwand und Ertrag wiederspiegeln.

Da steht dann ein „Reporter“, der eine Kamera auspackt und dann die Kamera mit ihren Bedienungselementen zeigt und wie man damit Fotos machen kann – und man muß sich vorher noch bis zu 20 Sekunden Werbung anschauen. Diese Art der 1Euro-Videos ist die weit überwiegende Realität im Netz. Daher muss man sich die Frage stellen, inwieweit Qualität eine Rolle spielen kann oder ob dies die akzeptierte Qualität ist, die das optimale Verhältnis von Aufwand und Ertrag darstellt. Das ist eine offene Frage.

5. Es wird von immer weniger immer mehr fotografiert

So paradox es ist. Je mehr Geräte zum Fotografieren da sind, desto weniger Themen werden damit fotografiert. Diese Tendenz hat u.a. 2010 Manfred Scharrnberg gut beschrieben: „Ein Blick in die Bildarchive wirkt erhellend. Nehmen wir das Thema Kinderarmut: Getty, einer der Branchenführer, wirft bei dem Stichwort gerade einmal 31 Fundstellen aus: Inszenierte Details oder Fotos aus Entwicklungsländern. Aber auch von freien Fotografen bestückte Archive bleiben bei dem Thema seltsam blass. Inszenierte Fotos von traurig dreinblickenden Kindermodels, wahlweise mit Sparschwein oder dünner Suppe. Der beste Ansatz sind dokumentarische Bilder bei der Essenausgabe einer sozialen Einrichtung.“

Die guten Geschichten liegen auf der Strasse und im Internet gibt es Platz ohne Ende – wo bleiben sie denn dann? Hängt alles allein vom Geld ab? Geht es nur über Spenden oder Crowdfunding? Hier zeigt sich entweder eine wachsende Interesselosigkeit oder Orientierungslosigkeit. Das muß man wohl noch eine Weile beobachten. Man muß aber auch die GEZ-finanzierten Sender im Auge behalten, denn die haben eigentlich einen Auftrag…

6. Qualität wird ein Nischenprodukt

Meiner Meinung nach ist der akzeptierte Qualitätsstandard heute mehr von den digitalen und nicht mehr von den optischen Möglichkeiten geprägt. Das Sensationelle ist entscheidend, nicht das Fotografische. Aber auch dies gilt nur begrenzt. Wolfgang Steiner zum Beispiel meint dazu: „Ich bin überzeugt, dass über kurz oder lang, all die Gratis-Fotoagenturen wieder vom Markt verschwinden werden, da all die benötigten Server und Internetplattformen echtes Geld kosten, auch wenn die armen User keines sehen. Der Markt wird sich selbst regulieren, wie er das immer schon getan hat. Verlage die einen entsprechend hohen Anspruch an sich selbst stellen, ein gutes Magazin drucken zu wollen (Beispiel National Geographic), werden auch in 50 Jahren immer noch gut bezahlte Profi-Fotografen benötigen.“ Wir werden sehen, was daraus wird.

Doch ich will nicht unerwähnt lassen, dass ich Qualität hier mit einer doppelten Bedeutung versehen habe, einmal als gestaltete Aufnahme und einmal als Auswahl der Themen. Insofern liegt die Zukunft im Auge der Fotojournalisten und der Medienmacher. Mal sehen!

 

 

2 thoughts on “Handyfotos – die Zukunft der Fotojournalisten?

  1. Zu drei Punkten will ich was sagen:

    „1. Der Trend zu Handyfotos für Magazine und Zeitungen nimmt zu, vor allem Online“

    Klar. Online braucht Fotos, viele Fotos. Und wer soll das alles bezahlen, wenn die Bilder vom Profis bzw. der Agentur kommen? Wer hat schon noch einen eigenen Fotografen? Ständig sollen die Besucher mit Bildergalerien zum Klicken animiert werden (je mehr Klicks, desto höher die Werbepreise), niemand soll mit Wort ohne Bild konfrontiert werden, und ist der Text auch noch so kurz, dass man beim besten Willen nicht von einer Bleiwüste (wie nennt man das eigentlich im Web?) sprechen könnte. Manchmal habe ich den Eindruck, dass in den Online-Redaktionen eine gewisse Bildersucht herrscht. Meine Meinung: Viele Meldungen funktionieren auch ohne Bild – und wenn nicht, werden sie auch nicht gelesen, wenn den Teaser ein komisches Symbolfoto flankiert.
    Allerdings werden die Handykameras immer besser. Zumindest die technische Qualität dürfte sich weiter verbessern.

    „5. Es wird von immer weniger immer mehr fotografiert“

    Das stimmt. Versuch mal zum Thema Behinderung ein gutes Bild oder gar eine Serie zu finden. Gibt es kaum. Hauptsächlich Klischees und Bilder vom Behindertensport.

    „6. Qualität wird ein Nischenprodukt“

    Ist es jetzt schon. Die kostenlosen Fotoportale bieten wenig Originelles, oft stimmt einfach die Qualität nicht. Die besten günstigen Bilder bieten Stockfoto-Portale, die mit einem Creditsystem mit pauschalierten Preisen arbeiten. Also man kauft Punkte und pro Foto werden je nach Nutzung und Größe so und viel Punkte abgezogen.

    Gerade in der Onlinenutzung sind Agenturen wie Getty Images aber auch dpa schwer zu handhaben – die Nutzungsrechte werden nur für eine begrenzte Zeit übertragen und kosten viel Geld. Wie schnell vergisst man, ein Bild von der Seite zunehmen…

    1. Ich würde das noch ergänzen wollen. Die Onlinenutzung von Fotos von Bildagenturen ist fast schon wie mit einem Bein im Gericht. Ich rezensiere ja nun auch Bücher und ich habe mittlerweile von einigen Rezensionen Abstand genommen, weil die mir dafür angebotenen Fotos wirklich nur maximal drei Monate auf der Onlineseite bleiben dürfen.

      Das ist sehr paradox. Erstens geht es ja um das Buch und eine i.d.R. verkaufsfördernde Maßnahme und zweitens kann es ja nicht sein, dass ich eine Rezension, die vielleicht noch in zwei Jahren interessant ist, in drei Monaten von den Fotos befreien muss, die zu dem Buch gehören. Und wenn ich vergesse, die Fotos in drei Monaten von der Seite zu nehmen, muß ich noch eine dicke Rechnung für eine ungerechtfertigte Bildnutzung bezahlen.

      Tut mir leid, so verstehe ich digitales Leben nicht. Dann müßte ich ja auch pro Rezension 1000 Euro verlangen, damit ich mir den Aufwand bezahlen lassen kannn. Das wiederum werden weder die Verlage noch die Fotografen und Agenturen wollen – oder?

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