Der Sucher der Fuji X10 zwischen Marketing und Langzeittest

Ich war schon überrascht, unter der Überschrift „Gernegroß-Kamera mit Retro-Chic“ folgendes zu lesen: „Der optische Sucher der X10 hilft bei der Bildkomposition, wenn das Kameradisplay zum Beispiel im gleißenden Sonnenlicht schlecht zu erkennen ist. Allerdings hilft das Sucherbild eben nur bei der ungefähren Komposition. Im Sucher ist nicht zu erkennen, welche Bildbereiche fokussiert sind, welche Werte für Blendenöffnung, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit gewählt wurden und ob diese Kombination bei den aktuellen Lichtverhältnissen eine ausreichend belichtete Aufnahme produziert.“

So schlecht hatte ich mir den Sucher nicht vorgestellt. Da ist ja im Prinzip dasselbe wie die Einfachsucher bei den kleinen digitalen Kompaktkameras. Leider ist die Kamera ja noch gar nicht auf dem Markt, so dass der Spiegel sicherlich eine spezielle Quelle hatte, um die Kamera zu testen.

Aus der Werbeseite von Fuji selbst geht dies leider so nicht hervor. Damit ist die Hoffnung, eine echte Sucherkamera zu bekommen, geplatzt und der Unterschied beim Sucher zwischen Canon A1200, G12 oder Nikon P7000 und der Fuji X10 nur rein in der Größe und im Blickfeld zu finden.

Der Sucher scheint noch nicht einmal einen Markierungspunkt in der Mitte zu haben und man sieht das Objektiv.

In einem anderen Test sagt der Autor unumwunden, dass er bei der X100 lieber den Sucher benutzt und bei der X10 lieber das Display (!), weil der Sucher der X10 nur über eine grüne und eine orange LED Auskunft über Autofokus etc. gibt.

Nach einer anderen Auskunft gibt es sogar nur einen Ton, der den Autofokus an“zeigt“ und die Kamera hat eine extrem langsame Schreibgeschwindigkeit. – Puuuh!

Die Fuji-Guys haben informiert, dass es nur eine LED gibt, die blinkt, wenn der Fokus nicht stimmt.

Wenn Fuji echt nur den Einfachstsucher vieler Kamerahersteller der Vergangenheit vergrößert hat, dann ist meine Hoffnung bei der X100 steckengeblieben. Abgesehen davon verstehe ich nicht, wieso nicht wenigstens ein Weitwinkel von 24mm die Anfangsbrennweite ist. So hat die Kamera schon zwei Stolpersteine, bevor sie ins Rennen geschickt wird.

Aber man kann es auch gelassener sehen.

So argumentiert ein User hunz auf dpreview, dass der Sensor sowieso so klein ist, dass eigentlich immer alles scharf abgebildet wird, egal worauf man scharfstellt. Immerhin hätte der 2/3 Sensor nur 24 % der Fläche eines MFT-Sensors, nur 15,5 % der Fläche eines APS-C Sensors und nur 6,7 % der Fläche eines Vollformat-Kleinbildsensors.

Ich paraphrasiere den User hunz deshalb, weil er dort noch etwas sehr Interessantes zum Thema Strassenfotografie geschrieben hat: „Doing street with either the high-end Nikon Coolpix 5000 or 8400 worked just fine by setting it on Continuous, so it would shoot whether it thought it was in focus or not. Even at close street distances, it was never an issue and no out-of-focus images resulted.“

Auf Deutsch hat er mit der Nikon P5000 und der Nikon P8400 Strassenfotografie praktiziert und dabei einfach den Autofokus auf Continuos/dauerhaft gestellt. So sind eigentlich immer Bilder zustandegekommen, die scharf waren. (Wenn ich mir vorstelle, dass ich vor 4 Jahren ebenfalls genau diese Kameras genutzt habe, dann ist es schon interessant, was man aktuell dazu findet. Abgesehen davon sind die Kameras immer noch top… !)

Mittlerweile gibt es ganz viele Tests und einige User schreiben auch über Staub im Sucher (?). Bemerkenswerterweise ist die Kamera in Deutschland auch Anfang November 2011 nicht erhältlich, dafür gibt es aber schon ein Firmware-Update. So ist das eben im digitalen Leben…

Zuguterletzt noch ein Hinweis auf die zwarte kat im rangefinderforum. (der Beitrag ist hier mit google übersetzt). Der User zwarte kat hat sie nicht gekauft, aus denselben hier diskutierten Gründen.

Und auch bei Cnet hat man die Kamera einem „Vorab-Test“ (was ist das?) unterzogen. Dort heisst es: „Die Fujifilm X10 verfügt über ein weiteres Feature, dass man bei aktuellen Kompaktkameras eher selten sieht: einen optischen Sucher. Das kleine Guckloch verfügt über eine Linsenkonstruktion, so dass der Sucher die Brennweitenveränderung mitmacht. Im Vergleich zur Konkurrenz aus Canon G12 und Nikon P7100 ist das Guckloch etwas größer. An den raffinierten Hybrid-Sucher der X100 kommt es allerdings nicht heran. Außerdem werden hier keine Informationen zu Blende, Belichtungszeit & Co. dargestellt. Im Weitwinkel ist außerdem das Objektiv leicht im Sucher zu sehen.“

Damit ist die Kamera eine Konkurrenz zur Nikon P7000/7100 und der G11/G12, aber nicht mehr eine Klasse für sich. Und dann – glaube ich – wird es schwer für Fuji.

Abgesehen davon ist es schon bezeichnend, dass man die Kamera selbst nicht erhält (5.11.2011) sondern auf Informationen angewiesen ist, die sehr oft aus Quellen kommen, bei denen die Hersteller auch werben.

Dieser Artikel ist ein kompletter Second-Hand-Artikel. Es kam mir darauf an zu zeigen, wie wir gezielt mit Informationen versorgt werden, die wir nicht nachprüfen können. Damit entsteht eine Meinung im Kopf ohne dass diese geprüft werden konnte.

Und da Journalismus mittlerweile weltweit gesehen werden muß und dort manchmal eingehaltene deutsche Standards sehr relativ sind und oft mit Werbung gleichgesetzt werden, ist das Ganze sehr nüchtern zu sehen.

Bis hierhin ist also alles Gerücht und auch in meinen Kopf ist alles second Hand.

Bis hierhin.

Ab hier konnte ich die Kamera selbst nutzen. Den Bericht finden Sie hier.

Nachtrag 2015:

Dieser Artikel ist von 2011. Man sieht hier sehr schön, wie sich Informationen entwickeln, wie sie im Netz gestreut werden und wie man selbst versucht, diese zu interpretieren.

Ich arbeite nun schon einige Jahre mit der Kamera und ich finde sie rückblickend wunderbar mit dem neuen Sensor und mit dem Sucher: groß, einfach, pur, gut…

Hinzu kommt, daß die Fuji X10 wahrscheinlich die einzige Kamera ist, deren Sensor verändert wurde während der Laufzeit des Modells. Das wußte 2011 auch noch niemand.

Ich bin von dieser Kamera ebenso überzeugt wie von ihrer großen Schwester, der X100. Aber weil ich keinen anderen Artikel kenne, der so die Zusammenhänge von PR, Vorabinformationen und realer Bewertung darstellt, habe ich ihn online gelassen. Denn er ist ein einzigartiges Studienobjekt – auch für mich.

Text 1.5

2 thoughts on “Der Sucher der Fuji X10 zwischen Marketing und Langzeittest

  1. es ist nicht das gleiche wie bei kompaktknipsen oder der g12. es ist ein VOLLGLAS sucher mit 85% abdeckung im 20 grad winkel. wer analoge leicas oder pentax bedienen kann, der weiß wie genial das ist und der g12er grämt sich wegen seines trüben plastikgucklochs. und ja, die schärfepunkte werden nicht im sucher angezeigt, statt dessen hört man ein akustisches signal. auch das kennt man von kameras die optisch so fein aussahen, wie die x10 heute. wer mehr erwartet hat, hat es nicht verstanden oder weiß nicht was man für 500 € tatsächlich nur in qualitativ erträglicher form verbauen kann… wahrhaft feinen fotofreunden sei zudem die dpreview.com page mit ihren foren statt spon als lektüre empfohlen 😉

    1. Wenn ich aber immer ein akustisches Signal hören muß, um die Scharfstellung zu hören statt zu sehen, dann ist dies in meinen Augen nicht gut für diskrete Fotos und ich halte dies auch nicht für eine gute Lösung. Aber das wird man sehen, wenn man die Kamera ausprobieren kann.

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