Fotografie als Waffe 2.0

Fotografie als Waffe. Zur Geschichte und Ästhetik der Sozialfotografie von Roland Günther erschien 1982 im rowohlt Verlag und erstmals 1977 bei VSA.

Es ist fast einzigartig geblieben.

Die Bücher zu diesem Thema im weiteren Sinn sind sehr überschaubar im deutschen Sprachraum und die Schnittmenge von Arbeiterfotografie und Sozialfotografie ist sehr gering.

Hinzu kommt noch etwas, das Roland Günther auf der letzten Seite seines Buches beschreibt:

„Die Institutionen der Arbeiterbewegung nahmen auf der ganzen Welt nur selten von Sozialfotografen Notiz.“

Wer also an den gemeinsamen Kampf mit der Fotografie als Waffe in der Arbeiterbewegung geglaubt hat, der wurde und wird enttäuscht. Arbeiterfotografie ist also keine Waffe zur Veränderung im großen Rahmen gewesen sondern eher eine bildhafte Ergänzung der bürgerlichen Fotografie.

Sozialfotografen waren und sind wohl Menschen, die eher unabhängig davon engagiert sozialdokumentarisch fotografierten. Ich habe das mal aus meiner Erfahrung so ausgedrückt:

„Für die Dokumentation sozialer Wunden gab es nie Geld. Aber viele zehntausend Menschen tragen die Narben der sozialen Wunden, die ich hier konkret im Ablauf, in der Masse oder als pars pro toto dokumentiert habe, hier und anderswo in sich, sie werden davon mit bestimmt und geleitet, sie leiden darunter und oft genug versteht dann niemand warum, weil niemand mehr sieht was war.“

Sozialfotografie ist für mich daher visuelle Geschichtsschreibung.

Daran wollte ich noch mal erinnern, weil wir ja heute in anderen Zeiten leben.

Heute ist auch die Arbeiterbewegung als „Wir“ Geschichte.

Wir sind in einer neuen Zeit angekommen, die neue Technik bietet.

Wenn wir uns von der Sozialfotografie lösen und das Thema weiter fassen, dann sieht mein Blick heute so aus.

Es gibt ca. 6 Milliarden Handys und fast alle mit Kamera(s).

Daraus ergibt sich mit den neuen Medien eine neue Form von „Weltbildern“ zwischen Fake und Vielfalt.

Aber nicht nur das.

Bürger werden zu Reportern schreibt Tom Ang in seiner aktuellen visuellen Geschichte der Fotografie. Und weiter:

„Das Smartphone wurde in Ägypten, in der Ukraine, in Libyen, in der Türkei, in Syrien und in anderen Ländern zu einer der wichtigsten Waffen im Kampf für Demokratie, denn die Menschen in aller Welt konnten stündlich mit brandaktuellen Informationen versorgt werden.“

Dies gilt natürlich auch umgekehrt bis zur Fakefotografie.

Fotografie als Waffe 2.0 ist also heute für Ohnmächtige und Mächtige möglich. War sie früher auch schon aber heute eben mit Handy und Netzwerk.

Der Erfolg durch Aufmerksamkeit hängt heute meistens von der Wirkmacht in den sozialen Medien ab, manchmal auch von der Medienkarawane der bisherigen Medien. Dabei ist vieles heute auch gekaufte Werbung und keine journalistische Berichterstattung. Und ob aus erfogreicher Aufmerksamkeit soziale Relevanz bzw. Veränderung wird, ist wieder eine ganz andere Frage im Zeitalter symbolischer Politik.

Ich habe dies an zwei aktuellen Beispielen (2024) erläutert bei Rentner an die Front und bei einem Video aus dem Ukrainekrieg.

Und so ist das Smartphone heute die wichtigste Waffe der Kommunikation in der Gegenwart geworden. Die Munition sind Text und Bild. Während DSLR und Systemkameras sich in einer schwindenden aber attraktiven Nische befinden, werden kleine Kameras und Vlogging, Drohnen und anderes immer beliebter. Dabei geht es um einfache Aufzeichnung in kleinen Geräten.

Und die Freiheit und Unfreiheit schwankt zwischen X einerseits und Zensur in Diktaturen oder auf diktatorischen Netzwerken andererseits.

Damit endet diese Skizze inklusive der notwendigen Verlinkungen. Sie ist mein kleiner Rückblick auf 40 Jahre Geschichte eines Buches und Themas einerseits und Ausblick in die Gegenwart andererseits geworden. Meine Beschränkungen liegen dabei in meiner Weltsicht, meinen Informationen durch Bücher und Suchmaschinen und meinem Nichtwissen über andere Länder und diesem Thema dort. Wer mehr weiß, darf dies gerne in Kommentaren ergänzen.

In diesem Sinne!

Text 1.1

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

2 thoughts on “Fotografie als Waffe 2.0

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