Ein amerikanischer Blick
Als ich diese Überschrift das erste Mal las, war ich über seine nüchterne Fragestellung etwas erschrocken. In zwei Worten werden Aufstieg und Fall einer Entwicklung zusammengefasst? Und dann sind die Worte auch noch so gewählt, dass sie auf Englisch und Deutsch gleich sind?
Die Überschrift stammt ursprünglich aus einem Artikel von Mary Panzer aus The Wall Street Journal. Rückblickend zum Tod von Martine Franck stellt sie die Frage nach den Veränderungen im Fotojournalismus.
Sie kommt zu dem Schluss, dass das Wachstum der digitalen Galerien, in denen man Fotos kaufen kann, dazu geführt hat, dass nicht mehr nur Fotos gezeigt sind, die gut genug sind, um gezeigt zu werden.
Und sie stellt fest, dass wir in einer Welt ohne Life Magazine leben, die zu viele Fotos hat. Es folgt die Frage, welche Form von Fotojournalismus dabei entstehen wird. Fast pathetisch fragt sie dann, wer Bilder von der digitalen Welt erstellen wird, die uns etwas zeigen, was wir ohne sie nicht gesehen hätten?
Ein typisch amerikanischer Blick oder ein aus Freiheit geborener Blick, der deutsche Blockaden im Denken überwindet?
Im Fernsehen wurde vor kurzem berichtet, dass der letzte festangestellte Fotograf beim Stern in Rente ging und nun über Fotoarchive und Einzelaufträge Bilder beschafft werden.
Fotografie quantitativ und qualitativ
Nun denn. Haben wir zu viele Fotos? Eigentlich doch nicht. Das kommt wohl darauf an. Ein paar gedankliche Blicke:
- Qualitativ betrachtet haben wir zwar immer mehr Fotos von immer weniger Themen aber wir haben nicht immer mehr Fotos von immer mehr Themen.
- Quantitativ betrachtet haben wir mehr Fotos, die aber auch mehr Zwecken dienen. Sie sind Teil einer Bilder-für- Buchstabensprache geworden. Es sind daher nicht nur unbedingt mehr journalistische Fotos.
- Es gibt da auch noch das Verteilungsproblem. Wir haben fast Monopole bei Suchmaschinen und wir haben selbst bei vielen digitalen Bildern nicht mehr nur ein Medium für das Zeigen der Bilder. Wir haben einen Medienweg, auf dem man immer wieder neu etwas entdecken kann, wenn es die Suchmaschine(n) zulassen.
- Und dann ist dies auch noch kostenlos, weil es genug anderes gibt, das man sonst anschauen kann ohne zu bezahlen.
- Und bei den Themen? Wer will für Themen, die sozialkritisch sind, noch bezahlen? Es geht eher darum, mit Bildern Aufmerksamkeit zu erzielen, um Politik und Zivilgesellschaft wachsam zu machen. Aber das reicht kaum, wenn die Bevölkerung nicht mehr weiss, wie wichtig Demokratie und Menschenrechte sind. Fotojournalismus hat ja viel mit Engagement zu tun.
Zeit.de -Wehwehchen und Iphone als Erfolgsmodell?
Als ich vor ein paar Wochen darüber berichtete, dass man als Zeit-Reporter(in) ein Iphone braucht, da war mir noch nicht klar, wie banal fundamental diese Aussage ist. Meiner Meinung nach werden die zugrundeliegenden Fehlentwicklungen in China von der Zerstörung der Umwelt bis zur Missachtung der Menschenrechte damit von einer Zeitung wie der Zeit fundamentiert auf medialem Niveau. Berichten Sie dort wöchentlich mit Fotos über die Probleme, die damit verbunden sind?
Zumindest benutzen sie diese unter diesen Bedingungen erstellten Geräte, um damit hier zu arbeiten.
So hat das Gesicht der Globalisierung auch hier aus engagiertem Fotojournalismus vielfach eine Art Wehwehchen-Fotografie gemacht. Oder zeichnet sich z.B. die Zeit durch eigene sozialkritische Fotoreportagen aus? Ich will das nicht bewerten sondern meine Ansicht nur aufschreiben.
Man könnte sogar fragen – Zeit(.de) irrelevant? Wenn umgekehrt die Zeit immer neue Verkaufserfolge feiert, vielleicht ist dann die Wehwehchen-Gesellschaft ein Zukunftsmodell für Journalismus, Fotografie und damit für Fotojournalismus?
Der Artikel über Magnum von Frau Panzer ist damit Anlass und Ursache, um Veränderungen wahrzunehmen. Aber ich finde auch ihre Frage wichtig nach dem, was wir heute fotografieren müssen und was man vorher nicht gesehen hat.
Konsumierend in die Katastrophe oder engagiert dokumentieren?
Die Antworten darauf ergeben sich aus der Situation der Menschheit.
- Es geht nicht um die Sterblichkeit des Menschen, denn das ist unsere conditio humana. Es geht um die Zerstörung der Welt und den fehlenden Mut, das Thema wirklich anzupacken. Daraus ergeben sich unzählige Themen, die aber nur in einer Zivilgesellschaft mit unängstlichen Medien eine Rolle spielen könnten.
- Da über das Unangenehme oder den Mächtigen Unpassende nicht gerne berichtet wird, ist die Berichterstattung ohne Bezahlung selbst in einer Demokratie wie bei uns oft die einzige Chance. Aber wer macht das schon, wenn er/sie für Wehwehchen-Berichte Geld bekommt? Das Ganze sitzt also tiefer.
- Oder ganz banal im Alltag. Wenn z.B. die Belastungen für die Umwelt Thema für betriebswirtschaftliche Entscheidungen wären, würde man nicht die Verbraucherpreise erhöhen sondern andere Produkte entwickeln, klein, preiswert, nützlich. Themen wie Glühbirnen und Medikamente sind da nur ein Bereich. So bleibt viel zu tun, auch im Foto-Journalismus, wenn er engagiert und zukunftsorientiert sein will. Da hat er seine Chance.
- Und dann gibt es da ja noch die Kriegsfotografie. Die muss nicht immer so hart sein wie hier dargestellt, um die Schrecklichkeit abzubilden, aber sie ist notwendig, um zu zeigen, wie wichtig Europa, die Demokratie und der Sozialstaat sind mit Menschenrechten und Toleranz. Die muss man auch verteidigen.
Weiblicher Fotojournalismus als Chance?
Übrigens, ist Fotojournalismus eigentlich männlich?
Spätestens seit dem Einsatz des Iphone müsste doch der weibliche Fotojournalismus ganz neue Urstände feiern. Die Transformation hat ja begonnen.
Und die Kombination aus Audio, Foto, Text könnte dem neuen – guten! – Fotojournalismus eine Chance eröffnen.
Damit will ich enden ohne das Thema zu beenden. Nur das Ende dieses Artikels ist erreicht. Das kann man vielfach vertiefen, horizontal und vertikal.
Damit gibt es auch noch Stoff für die Zukunft.