Fotoshooting von Maria Benning und Gerald Zörner


„Kommunikation läuft nicht in erster Linie über Inhalte. Es geht viel mehr um die Vermittlung von Selbstbildern.“ Dieser Satz aus den ersten Seiten des Buches „Fotoshooting. Das Subjekt vor dem Objektiv“ von Maria Benning und Gerald Zörner zeigt uns den Weg in eine wunderbare Welt.

Es ist ein besonderes Buch. Dieses Buch ist ein Produkt der digitalen Zeit, denn es reflektiert den veränderten Umgang mit Fotos und Bildern seitdem sie digital und online fast ununterbrochen eingesetzt werden.

Einige bekannt gewordene Fotografen haben darauf hingewiesen, dass ein Foto im Kopf entsteht. Das ist das Geheimnis und das Problem der guten Fotografie zugleich.

Und genau dieses Thema wird hier theoretisch und praktisch bearbeitet – aber psychologisch-fotografisch.

Was passiert eigentlich psychologisch, wenn ich vor einer Kamera stehe – und hinter einer Kamera? Welche Macht hat der Fotograf/die Fotografin über mich? Was will ich eigentlich? Welches Bild von mir habe ich? Habe ich überhaupt ein Bild von mir?

„Nahezu jeder möchte heute visuell präsentieren… Doch viele empfinden es als schwierig, vor der Kamera zu stehen. Woher kommt dieser Mulm? Und warum ist es für viele Menschen zweierlei, wie sie auf den Bildern wirken und wie sie wirken wollen? Und lässt sich das eine mit dem anderen nicht besser in Übereinstimmung bringen?

Diesen Fragen gehen der Porträtfotograf Gerald Zörner und die Journalistin Maria Benning nach. Sie stellen die psychologischen Aspekte des Fotografiertwerdens dar.“

So beginnt das Buch und diesem Anspruch wird es auch gerecht. Es ist ein Buch, das den Spagat zwischen Wissenschaft und Lebenspraxis bewältigt.

Benning und Zörner trauen sich, eigene Gedanken, gute Zitate und praktische Vorschläge aus verschiedenen Wissensbereichen in einen inhaltlichen Zusammenhang zu stellen, nämlich das Fotoshooting.

„Was tun Sie, wurde Herr K. gefragt, wenn sie einen Menschen lieben?

Ich mache einen Entwurf von ihm, sagte Herr K., und sorge, dass er ihm ähnlich ist.

Wer? Der Entwurf?

Nein, sagte Her K. Der Mensch.“

Diese Geschichte von Bertolt Brecht kommt ebenso als Schlüssel zum Selbstverständnis und der fotografischen Identität in dem Buch vor wie die Untersuchung von Pierre Bordieu über „Die feinen Unterschiede“ bei der Frage des Bild Entwerfens.

Doch hört sich das eher intellektuell an. Das ist das Buch aber eigentlich nicht. Es ist anspruchsvoll obwohl es leicht geschrieben ist.

Und es ist von hohem praktischen Wert, denn Maria Benning und Gerald Zörner arbeiten mit Fotos und Tabellen, die man sogar im Kundengespräch einsetzen kann und in der Vorbereitung auf Porträt-Fotoshootings.

Das Buch ist mit Theorie total auf fotografische Praxis angelegt. Und das gelingt sehr gut.

Fragen wie die nach der Entstehung eines Bildes von mir oder anderen, wie kann ich besser Sehen lernen, wie kann ich mich beeinflussen, ermöglichen in dem Buch eine breite und gute Auseinandersetzung mit Gedanken, Prinzipien und der Frage, wie ich mehr Akzeptanz bekomme – fotografisch und im Leben.

Es ist ein Buch zum Blättern, zum Lesen und zum Anwenden. Und es macht Spass.

Wer das Buch liest, wird anders mit Fotos und sich selbst umgehen. Die Literaturhinweise, die Fotos und die Tabellen sind eine gute Quelle für die Arbeit an Bildern und an Selbstbildern – im Kopf und mit der Kamera.

Das Buch leistet, was die Werbung verspricht: „Entwerfen Sie ein Bild von sich, bevor es andere tun – faszinierende Einblicke in die Psychologie des Fotografiertwerdens.“

Maria Benning, Gerald Zörner

Fotoshooting. Das Subjekt vor dem Objektiv
ISBN 978-3-456-84998-0

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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