Die optische Täuschung des geistigen Auges und die Grenzen der Fotografie

Ich komme aus der Welt der Wörter. Weil mir diese beim Einfangen von Ereignissen und Entwicklungen oft nicht reichten, habe ich mit der Fotografie begonnen.

In der Zwischenzeit entwickelte sich Fotografie durch Handys zu einer eigenen visuellen Sprache.

Aber ich kann nach mehr als 20 Jahren Fotografie in digitalen Zeiten für mich nun feststellen, daß Fotos zwar mehr als tausend Worte sagen, aber nicht unbedingt das, worum es geht.

Wörter sind meistens unersetzlich.

Visuelle Menschen, die nicht lesen, können in dieser neuen digitalen visuellen Welt gut leben.

Aber wer lesen kann, ist im Vorteil.

Zudem erschließen sich ganz neue Welten, die nur durch Lesen erfahren werden können.

Fotos und Bilder sind oft ideale Ergänzungen für Texte – und Texte sind oft die einzige Möglichkeit, den Sinn von Fotos zu verstehen.

Aber nüchtern betrachtet scheinen unter FotografenInnen in digitalen Zeiten immer öfter Analphabeten zu sein, die aus einer rein visuellen Kultur kommen.

Das ist auch der Grund dafür, warum Foto und Video so beliebt sind als visuelle Sprache.

„Ich glaube, das, was es so schwer macht, in der Fotografie besser zu werden, ist die Einfachheit, mit der sie geschieht.“

Dieser Satz ist aus dem Buch „Mein Foto“ von Ibarionex Perello. Ein schönes Buch, das man gut lesen kann und mehr erfährt als in 100 Stunden auf instagram.

Das alte und frühere Wissen über filmbasierte Fotografie ist weitgehend wertlos geworden, weil neue Technik nur noch den Knopfdruck braucht – Eastmans Werbespruch gilt in sensorbasierten Zeiten heute noch viel mehr: „Sie drücken den Knopf, wir machen den Rest“.

In diesem Fall machen Google und Apple den Rest…

Hier war und ist immer meine Fotonische gewesen.

„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann liest du nicht genug“ – „If your pictures aren’t good enough, you aren’t reading enough“ – Tod Papageorge, nach David Campbell

Das galt für mich hier immer im Projekt Fotomonat.

Das Lesen war historisch aber nie ein Breitensport, hat Klaus Benesch festgestellt.

Warum schreibe ich das hier auf?

Ich habe mit diesem Blog über viele Jahre gelebt und hier schließt sich der Kreis für mich. Als ich damals begann, ging es mir darum, vom Text zum Bild zu kommen.

Jetzt kehre ich innerlich vom Bild zum Text zurück.

Die Bilder ersetzen nicht das Lesen und Schreiben und das Lesen und Schreiben ersetzt nicht das Fotografieren.

Aber die Gewichtung verschiebt sich in mir und für mich.

Das ist Saturn, der Herrscher der Zeit, der Herrscher im Wassermann, der mich dabei begleitet hat.

Die saturnische Konstellation begleitet mich qualitativ lebenslang. Alexander von Pronay hat es mir gesagt und aufgeschrieben und so ist es auch gekommen.

Wie schreibt Schopenhauer?

„Der Anlaß zu diesem häufigen Mißgriff ist die unvermeidliche Täuschung des geistigen Auges, vermöge das Leben, vom Eingang aus gesehn, endlos, wenn man vom Ende der Bahn zurückblickt, sehr kurz erscheint… “

So ist es auch, wenn ich auf diesen Blog blicke als Teil meiner Lebenszeit. Mit meinem Eimer am Ozean des Wissens habe ich angefangen und nun stehe ich hier.

Grob 15 Jahre mit 2.000 Artikeln und noch mehr Fotografien im Projekt Fotomonat sind Grund genug für eine erneute Betrachtung.

Neu sehen auf eine neue Zeit!

Nur der Mensch bleibt und unterliegt denselben biologischen Gesetzen wie eh und je.

Aber das ist dann die neue Zeit, die kommt und auch nicht bleibt…

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert