Klassisch und manuell fotografieren auf neue digitale Art – geht das?
Nachdem ich einige Tests über das Voigtländer Nokton 35mm F1,2 X für Fuji-X gelesen hatte und kein Tester sich das Objektiv gekauft hatte sondern alle nur geliehene Exemplare nutzten, wollte ich es selbst wissen.
Ich habe mir das Objektiv gekauft, weil ich weiß, wie gut Voigtlaender sein kann. Ich habe nämlich seit über zehn Jahren das F0.95 25mm MFT.
Es ist gut und sehr schwer und ich brauchte einige Jahre, bevor es einen für mich wirklich gut passenden Body gab (Lumix GX7/ GX8), aber seitdem ist es für seine speziellen Aufgaben gut geeignet.
Auch hier waren wieder Zeit und Zufall dabei…
Und nun ein eher kleines und eher leichtes manuelles Objektiv für Fuji-X mit Namen Nokton?
Voigtländer schreibt selbst: „Eine hohe Lichtstärke von F1,2 gewährleistet ein enormes Freistellungspotential mit der Möglichkeit einer besonders plastischen Detailwiedergabe, darüber hinaus verfügt das Nokton über ein äußerst sanft verlaufendes Bokeh.“
Nun denn!
Endlich konnte ich raus bei eher kaltem Wetter – ohne Sonne aber trocken.
Und so führte mich mein Weg nach Wuppertal.
Mit der Fuji XPro 2 und dem manuellen Nokton 35mm kann man super fotografische Handarbeit praktizieren.
Es ist für langsames Fotografieren und gestaltende Lichtmalerei gemacht.
Hinzu kommen noch ein paar Feinheiten.
Ich entschied mich für die Filmsimulation Classic Chrome als digitales Original, um Licht und Farben und „Zeichnung“ des Objektivs zu kombinieren.
Da ich nur durch den Sucher fotografierte, war Sonne ein no go, weil dann meine Hand über den Sucher hätte gelegt werden müssen, um etwas zu sehen. Das geht aber bei einem manuellen Objektiv nicht.
Und hohe Lichtstärke kann sein Potential eher bei wenig Licht ausspielen, also mußte ich mir vorher überlegen was ich wollte.
Da kam mir der neue Bahnhof in Elberfeld gerade sehr gelegen…
Blick im Bahnhof Wuppertal Elberfeld
An diesen beiden Fotos sieht man das Potential des Nokton 35mm F1.2.
Dieselbe Stelle unscharf und scharf mit F1.2.
Und dann ging es weiter.
Wieder mit F1.2 erst unscharf und dann scharf:
Ich habe dann auf dem Platz vor dem Bahnhof etwas vom bunten Treiben über Spiegelungen auf den Fensterscheiben bei Primark eingefangen, wobei ich zugleich die Lampen im Primark als Gestaltungsmerkmal nutzen wollte.
Und dann ging ich weiter und machte manuell Fotos auf der Einkaufsstrasse.
Dieses Foto mit dem Mann in rot gefällt mir sehr, weil es sowohl die Eigenschaften des Nokton zeigt als auch ganz klassisch spontan manuell aufgenommen wurde. Weil ich erst manuell scharfstellen mußte, ist alles zu sehen aber nicht knackig scharf sondern sehenswert scharf.
Hier zeigen sich nämlich einige interessante Aspekte:
- Erstens ist dieses Foto für das menschliche Auge sehr gefällig und ansprechend.
- Zweitens ist der Vordergrund stark vom Hintergrund getrennt, so daß man sehr gut sieht wie das Nokton zeichnet oder malt.
- Drittens zeigt sich hier wie gut dieses Objektiv bei Motiven in Bewegung genutzt werden kann. Ich mußte manuell fokussieren und alle Personen waren in Bewegung. Dennoch ist für das menschliche Auge alles sehr gefällig gestaltet und das gesamte Foto strahlt dabei auch noch Ruhe trotz der Bewegung aus. Das liegt an dem schmelzenden Bokeh.
Beim nächsten Foto ist es technisch genau umgekehrt.
Hier habe ich auf die weißen Ständer fokussiert und der Mann lief mitten durch das Foto. Ich drückte ab. Das Ergebnis sieht einfach klasse aus.
Abschließend noch einmal zwei Fotos, um das Potential des Nokton zu zeigen, das erste mit F1.2 und das zweite stärker abgeblendet:
Und hier
Das Nokton 35mm F1,2 X von Voigtländer hat sich bei seinem ersten echten Einsatz bewährt. Es ist ohne Fehl und Tadel und für manuelles Fotografieren mit Sucher eine wahre Wonne.
Allerdings ist es nur sinnvoll für Kenner dieser Art des Fotografierens und/oder Könner oder solche, die es werden wollen.
Man muß manuelles Fotografieren wirklich üben, um zu guten Bildern in der Streetfotografie zu kommen – auch wenn man schon einige Jahre immer wieder unterwegs ist.
Und es werden mit einer solchen Kamera und einem solchen Objektiv keine spontanen Schnellschüsse sondern gestaltete „Malereien“.
Und auch Schärfe bedeutet hier gefällig und sehenswert fürs Auge statt knackscharf um jeden visuellen Preis.
Für schnelle Streetfotografie ist heute ein Smartphone die beste Lösung. Aber für schöne bewußt gestaltete Fotos eröffnet ein Objektiv wie das Nokton eine ganz andere Dimension und erfordert auch eine andere Art des Fotografierens.
Da saufen manche Farben fast ab in den Konturen während das jeweilige Foto einen ganz anderen Charakter bekommt.
Unschärfe wird hier der neue Freund auf gröbere Art mit mehr Schwerpunkt und weniger Feinheit – eine ganz alte neue Klasse von Farbe und Lichtspiel entsteht.
2 thoughts on “Streetfotografie mit Fuji und Voigtländer Nokton”