Übergangsgesellschaft – Fotografien von Bernd Cramer 1985-2019

Wie fotografiert man Unsicherheit? Bernd Cramer zeigt dies mit Fotos aus der DDR und danach bis 2019.

Bis heute leben viele in einer fortgesetzten Übergangszeit ohne Perspektive. Kann man das überhaupt fotografieren und wenn wie?

„Cramer versteht sich als Autorenfotograf mit dem Schwerpunkt auf sozialdokumentarische Themen.“

So lesen wir es im Vorwort und wir lesen auch, daß in diesem Buch Einzelaufnahmen in Zweierpaaren gegenübergestellt miteinander kommunizieren.

Man sollte sich für dieses Fotobuch daher auch Zeit zum Sehen nehmen und nicht nur Reinschauen.

Viele Aufnahmen stammen aus Leipzig und so zeigt er Menschen im Übergang, er zeigt Anfang und Ende, alt und neu.

Wir sehen Fotos mit Hoffnungen und enttäuschten Erwartungen. Wir sehen Menschen im Batman-Kostüm und Fotos von Protesten und Gegenprotesten.

Nichts erscheint fertig, eher gemischt, zusammengesucht und unterwegs – getrieben von Hoffnung oder von Verzweiflung?

Das Buch wurde auch auf spiegel.de vorgestellt, so daß man einige Hintergründe besser versteht.

Um es im Detail mit den Augen Betroffener besser zu verstehen lohnt sich ein Blick in die Leipziger Internetzeitung: „Doch während Volker Braun mit seiner Übergangsgesellschaft (den Begriff verwendete er 1982 zum ersten Mal) den verordneten Mythos der DDR, mit dem „Aufbau des Sozialismus“ quasi aus der Geschichte herausgetreten zu sein und den himmlischen Endzustand menschlichen Miteinanders aufzubauen, infrage stellte und dem Land – zumindest schon mal sprachlich – die Rückkehr in den Status geschichtlichen Ausgeliefertseins verordnete, verschiebt sich die Deutung des Begriffs bei Lindner und Cramer. Bei ihnen wird er zur Beschreibung eines Landesteils, der nun seit empfundenen 30, 35 Jahren nicht mehr aus dem Zustand des Provisorischen und Unfertigen herauskommt.“

Und so ist dieses Buch wie das Land an vielen Stellen – von Aufbruch keine Rede aber viel Flickwerk und sozialer Abbruch und viele offene Fragen und kein Ende dieses Zustandes abzusehen.

Soweit direkt zum Buch. Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch eine technische fotografische Anmerkung machen. Wie man sieht ist als Buchcover ein Foto mit einer Person von hinten gewählt worden. Das widerspricht so ganz dem aktuell gängigen fotografischen Zeitgeist, es sei denn man orientiert sich an den Klassikern. Und deshalb freue ich mich besonders über dieses Foto, weil es wieder einmal zeigt, daß Fotos von hinten zu den besten ihrer Art gehören können.

Damit beende ich den Text und wünsche dem Buch viele Betrachter.

Das Buch ist im Mitteldeutschen Verlag erschienen.

Bernd Cramer
ÜbergangsGesellschaft
Fotografien von Bernd Cramer 1985–2019
Mit einem Vorwort von Bernd Lindner

160 S., geb., 220 ×270mm
ISBN 978-3-96311-120-4

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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