„Soziales Elend hat die im Wohlstand lebenden stets unwiderstehlich zum Fotografieren angeregt – der schmerzlosesten Art, etwas zu erbeuten, um damit eine verborgene, das heißt, eine ihnen verborgen gebliebene Realität zu dokumentieren.“
Susan Sontag (S57)
Ihre Beobachtungen sind auch heute noch zutreffend. Je teurer die Digitalkamera desto öfter werden Bilderstrecken oder Regionen voller Armut gezeigt, wo die Menschen angeblich noch natürlich leben und die Farben eine so bunte Welt zeigen. Gerne wird aktuell die Armut auf Kuba gezeigt oder in Slums oder bei Käfigmenschen in Hongkong. Es geht so gut wie immer um Voyeurismus, den man mit der teuren Kamera ausleben kann.
Aber es wird noch schlimmer. In der aktuellen digitalen Streetfotografie-Szene wird vor allem das Leben der Armen, Gescheiterten und Obdachlosen als andauerndes Thema gewählt.
Das ist in Amerika ebenso zu sehen wie in Deutschland. Das wird dann monochrom oft verkauft als fotografische Hinwendung zu diesen Personen.
Wer es sich nicht leisten kann in den Slum zu fliegen, der fotografiert Obdachlose in Köln, Berlin oder München und nennt das Streetfotografie? Vom Namen her stimmt das sogar aber früher war das Opferfotografie und heute wissen wir ja, daß jeder in Deutschland Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf erhält durch die Grundsicherung.
Es gäbe viel bessere Motive. Wieso fotografiert man nicht die Reichen auf der Kö oder sonstwo, wieso die Armen?
An die Reichen traut man sich fotografisch schon nicht ran, weil man nicht so gut fotografieren kann, daß die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden?
Dann wäre Übung angesagt, denn man kann immer in der Öffentlichkeit fotografieren und gute Streetfotografie produzieren, wenn man es richtig macht.
Dann paßt auch die teure Kamera, denn dann ist die Kamera auf Augenhöhe mit den Motiven – teure Kamera, teure Motive.
Aber meistens nennt man es Streetfotografie und produziert Statusfotografie unter dem Aspekt der sozialen Gebrauchsweisen.