Fotogeschichte und Fotogegenwart zwischen Wahrheit und Wirklichkeit

Ein Foto ist immer ein Blick in die Vergangenheit.

Bei einem Foto ist die Vergangenheit in der Gegenwart präsent.

Das ist im Grunde der gesamte Zeitkreis der Fotografie.

Für mein Thema Dokumentarfotografie bedeutet dies, daß die Gegenwart direkt nach dem Foto die neue Vergangenheit ist.

Wenn wir in den Sternenhimmel sehen, dann sehen wir ja auch das, was schon geschehen ist oder wie es im Internet steht: „Wenn wir Sterne und Galaxien im Himmel betrachten, sehen wir tatsächlich in die Vergangenheit, weil das Licht, das wir sehen, Zeit braucht, um von diesen Objekten bis zu uns zu gelangen. Das bedeutet, dass das Licht, das wir von einem Stern oder einer Galaxie sehen, Tausende oder sogar Millionen von Jahren alt sein kann, bevor es uns erreicht.“

Für uns ist es Gegenwart, weil wir es in dem Moment wahrnehmen, wo wir es sehen.

Das gilt auch bei allen Texten hier. Friedrich Seidenstücker ist z.B. beim Lesen gegenwärtig und auch die Sachfragen zu Geld, Einfluß und Reichtum, wenn ich den Test lese. Der Mensch ist zwar physisch tot aber dennoch gerade real im Kopf vorhanden.

Aber wie wirklich ist die Wirklichkeit und was bedeutet das alles?

Karen Fromm hat dies vor einiger Zeit sehr gut zusammengefasst:

„Die Begriffe von Wahrheit und Wirklichkeit, die der Produktion und Konsumption des Dokumentarischen zugrunde liegen, sind damit keineswegs als neutral und überzeitlich, sondern als Teil gesellschaftlicher Machtverhältnisse zu lesen, die diese verhandeln und definieren. Wie jede Form der Wissensproduktion ist auch die Herstellung dokumentarischer Wahrheits- und Wirklichkeitseffekte an Machtverhältnisse, sogenannte Wahrheitsregimes gekoppelt. Dokumentarische Praktiken lassen sich damit weniger als Wahrheit denn als Politik der Wahrheit begreifen, die Foucault als ein Set von Regeln versteht, die Wahrheit verhandeln und definieren.“

Und mit diesem Wissen nähern wir uns dem Feld der Künstlichen Intelligenz, also Programmen, die aus dem, was man in sie zum Lernen reinsteckte, nun Etwas machen sollen.

KI bedeutet in der Konsequenz interessengelenkt.

Und damit verlasse ich KIKI wieder und gehe über die Brücke der Betrachtungsweisen der Wirklichkeit mit dem Blick auf den Horizont aus Erkenntnis und Interesse und suche meinen Weg.

Mein Interesse hier war klar mit der Hoffnung auf Aufklärung und Wirkung verbunden.

Wer die Vergangeheit nicht kennt, ist gezwungen sie zu wiederholen?

Aber wer sie kennt meistens wohl auch.

Denn es geht um Machtverhältnisse.

Geld führt, Glaube verführt?

Wissen ist Macht aber nichts wissen macht nichts?

So komme ich wieder zu Arthur Schopenhauer: „Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermeßliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil, getan: und so wird es denn auch ferner bleiben.“

Und ende hier:

„Der Mensch, der ich heute Nachmittag bin, der ist das Resultat aller meiner Ursachen in der Vergangenheit. Aller meiner Erlebnisse und Irrtümer und so weiter und so weiter. Das wollen wir nicht leugnen im systemischen Ansatz. Es interessiert uns aber die Situation im Jetzt und Hier. Die wollen wir ändern. Wir haben also sozusagen aufgegeben die Idee, dass man zuerst die Vergangenheit verstehen muss, bevor man die Gegenwart ändern kann.“

Paul Watzlawick

Und damit fängt alles von vorne an – wirklich?

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

2 thoughts on “Fotogeschichte und Fotogegenwart zwischen Wahrheit und Wirklichkeit

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