Wie Cartier-Bresson: Monochrome Streetfotografie mit manuellem Objektiv in Corona-Zeiten

Nachdem ich doch erstaunt war über die vielen Probleme, die beim Fotografieren im Kopf entstehen und zur Zensur führen und zum Tod jeglichen Fotojournalismus gesellschaftskritischer Art, gerade auch bei denen, die es beruflich machen wollen, habe ich heute einfach das gemacht, was man so macht, wenn man fotografieren will. Ich ging mit einer Kamera raus in die Stadt.

Aber um es zu erschweren, nahm ich eine Fuji XE2s mit einem manuellen Objektiv mit, dem 7artisans 55mm F1.4.

Ich wollte es mir nicht leichter machen als Henri Cartier-Bresson es hatte – mit Ausnahme eines Sensors statt Film und 85mm statt 50mm Brennweite umgerechnet auf Kleinbild (wegen der Abstandsregel bei Corona).

Also ging ich auf den Markt in Remscheid, der fast einzige Ort mit etwas Leben für Streetfotografie hier.

Ich konstruierte keine Momente sondern nahm die, die ich sah.

Da kam eine Frau mit wehendem Haar vorbei, eine ausdrucksvolle Persönlichkeit mit Schwung.

Sollte ich sie als Symbol des Marktgeschehens fotografieren mit dem Schwung und der Dynamik und dem Markt im Hintergrund und wenn wie, so daß nicht alle vor Angst schrien, weil ihre „Persönlichkeitsrechte“ verletzt worden seien?

Das Ergebnis sieht so aus:

Marktgeschehen

Wie man sieht war es gar nicht so schwer.

Weil das Objektiv lichtstark ist, konnte ich durch zwei zusätzliche Effekte mögliche Probleme einfach lösen.

Da ich den Vordergrund freistellte und so der Hintergrund unscharf wurde, sind alle anderen Personen nicht wirklich erkennbar.

Hinzu kommt der Vorteil von Corona. Viele Menschen sind mit dicken Masken sowieso nicht mehr identifizierbar. Abgesehen davon wären die anderen Personen ja nur Beiwerk.

Da es mir aber um das wehende Haar ging, mußte ich durch eine längere Verschlusszeit die Bewegung sichtbar machen. Zugleich führte dies dazu, dass Personen in Bewegung unscharf wurden.

Wenn man so vorgeht und weiß, was man tut, dann kann man auch das bekommen, was man will.

Und darüber hinaus wollte ich eine klassische Schwarzweißaufnahme direkt aus der Kamera.

Und dann ist dies alles auch noch Straßenfotografie bzw. Streetfotografie, manuell mit Sucher.

Es ist also heute möglich klassische Streetfotografie mit Personen umzusetzen, sogar in seiner aktuell fotografisch anspruchsvollsten Form,

  • nämlich manuell digital
  • in der Gestaltung mit Vordergrund und Hintergrund
  • und der Gestaltung mit Schärfe und Unschärfe.

Allerdings hätte Cartier-Bresson weniger Elemente in seinen Rahmen integriert oder wahrscheinlich einen größeren Abstand eingehalten.

Also ging ich weiter und machte es dann mal so wie der alte Meister es vorgemacht hat:

Da ergab sich der Moment von selbst. Mit Schwung fuhr der Junge mit dem Smartphone in der Hand lässig an mir vorbei.

Kamera ans Auge, Blende 1.4 und fokussiert. Gut getroffen von hinten.

Und wie man sieht kann man durch die Nutzung der Blende dafür sorgen, daß die Personen im Hintergrund gestalterisch relevant werden ohne erkennbar zu sein.

So geht Gestaltung mit Blende und Bokeh und manueller Fokussierung, um Streetfotografie heute klassisch umzusetzen.

Und dann gab es noch diese schöne Begegnung. Ich ging bei Foto Kaiser vorbei und sah dann noch eine der Kameras, die vielleicht auch Cartier-Bresson noch benutzt hatte, eine Leica Ic.

Das inspirierte mich natürlich noch mehr und so setzte ich die Fuji XE2s ins fotografische Verhältnis zur Leica Ic (hier verlinkt die Leica Ic erläutert).

Ich fühlte mich heute privilegiert.

Es war eine wahre Wonne so unterwegs zu sein.

Natürlich ergaben sich noch mehr fotografische Spielereien.

Der nächste Schritt wäre der Übergang zur Farbe, indem ich die RAW-Dateien nutze.

Damit würde ich bei der Betonung der Fotos von der Struktur zur Fläche wechseln.

Es wären auch Farbspiele möglich.

Das wäre Stoff für einen anderen Artikel.

Daher hier nur ein Beispiel, das mich fasziniert. Die Deutschland-Flagge mit schwarz-rot-gold/gelb und das Spiel mit diesen drei Farben würden dem Bild eine ganz neue Bedeutung geben.

Deutschland in Bewegung:

Für heute reicht mir aber meine inspirierende mentale Begegnung mit Henri Cartier-Bresson an einem Ort, der sich für die allzumenschlichen Begegnungen genau so eignet wie Paris oder New York aber sonst nichts zu bieten hat was echte Städte auszeichnet, weder an Farben noch an gestalteter sozialer und architektonischer Landschaft.

Und wenn Sie das Thema klassische Streetfotografie vertiefen wollen, dann empfehle ich diesen Artikel hier.

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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