Wenn sich die Dinge weiterentwickeln, dann ergeben sich auch neue Probleme, die gelöst werden müssen. Meiner persönlichen Meinung nach zeigen sich gerade einige als Elemente des digitalen Zeitgeistes, die neu beantwortet werden müssen:
1. Welche Rolle spielt Firmware von Digitalkameras für Testmagazine?
Der Fall der Fuji X10 ist aktuell ein gutes Beispiel. Genau dazu gibt es einen Hinweis im DSLR-Forum auf ein Zitat eines Mitarbeiters bei digitalkamera.de zum Problem der weissen Scheiben bei der Fuji X10: „Fujifilm will dieses Problem per Firmwareupdate beseitigen, also scheint es sich nicht um einen Hardwarefehler zu handeln und er wird nicht dauerhaft bleiben. Sobald er beseitigt ist, wird es niemanden mehr kümmern. Wir vergeben für die Tests unter anderem Testnoten und ein Testlogo, das sich hinterher nicht mehr ändern darf. Es steht genauso wie der Test für immer bzw. solange es diese Seite gibt im Internet und möglicherweise wird dieses Logo auch woanders zu sehen sein, z. B. auf der Herstellerseite, vielleicht wird es sogar auf dem Kamerakarton kleben. Da können wir doch nicht nach einem Firmwareupdate eine andere Testnote vergeben und dann sind zwei Logos im Umlauf. Ich vertraue in diesem Punkt dem Hersteller und das Problem würde mich nicht vom Kauf der Kamera abhalten und hält scheinbar auch andere Kunden nicht ab.“
Nichts gegen digitalkamera.de. Vielmehr Danke für diese Momentaufnahme. Manchmal sagt man ja Dinge, die helfen nach dem Aussprechen eine neue Position zu finden. Das könnte auch hier sein. Denn hier taucht ein Problem auf, das letztlich alle Testmagazine beantworten müssen. Und deshalb wende ich den Blick hin zu anderen Webseiten.
So findet sich beispielsweise im Focus ein Test, der das Problem mit keinem Wort erwähnt. Umgekehrt hat Cnet im Test das Problem der weissen Scheiben angesprochen, so dass klar ist, die Kamera hat noch Probleme, die gelöst werden müssen.
Inwiefern dies alles nun in Testergebnisse einfliessen könnte, kann man am Beispiel der Sony WX-1 bei dkamera.de sehen. Hier wurde der Prozesscharakter beim Testen dargestellt und es wurden Testergebnisse verändert nachdem sich die Messergebnisse verändert haben.
(Nachtrag: Mittlerweile ist bei dkamera.de ein Testbericht über die X10 erschienen, bei dem die weißen Scheiben als „Sensorfehler“ im Bericht angesprochen wurden und laut eigenen Angaben in die Bewertung einbezogen wurden, wobei ich das Ergebnis nicht verstehe.)
Doch davon abgesehen muss man natürlich auch fragen, welcher Test hat welchen Rahmen. Ein Test der Blooming und anderes in der Praxis austestet ist etwas anderes wie ein Test, der nur im Labor entsteht, ein Labortest eben und kein Praxistest.
Ich habe an anderer Stelle mit der Frage „Wo bleibt die Firmware?“ darauf hingewiesen, dass wir heute eigentlich von Software-Fotos sprechen müssen, wenn wir über Fotos aus einer Digitalkamera reden. Das wird irgendwann auch den Begriff Test neu definieren.
Leider hat das aktuelle Firmware-Update 1.03 der Fuji X10 das Problem aus Sicht vieler Anwender nicht gelöst, wie man in den einschlägigen Foren lesen kann. Daher muss natürlich die Frage zu stellen sein, was ich in einem Test schreibe.
Lasse ich solche – aus meiner Sicht – erheblichen Einschränkungen für das Fotografieren weg oder weise ich in einem Test darauf hin und lasse dies in die Testergebnisse einfliessen?
Daher wird dieses Thema – unabhängig vom konkreten Fall der Fuji X10 – ein Thema bleiben.
2. Darf man HDR-Fotos im Fotojournalismus benutzen?
Diese Frage wurde bei dpreview diskutiert. Während Photoshopping bisher einfach vielfach praktiziert wurde, ist dies bei HDR-Fotos offenkundig noch anders.
Aber warum eigentlich? Wer die Diskussion verfolgt hat, der merkte schnell, dass es auf den Blickwinkel ankommt. Da HDR-Fotos Sachverhalte nicht verändern sondern nur die Wahrnehmung der Farben für das menschliche Auge optimieren – so einige Diskutanten -, gibt es aus erzählerischer Sicht keinen Grund, der gegen HDR im Journalismus spricht.
Andererseits gibt es die Sichtweise, dass der Moment der dokumentarischen Fotografie durch mehrere hintereinander aufgenommene Fotos, aus denen dann ein einziges Foto erstellt wird, nicht mehr authentisch ist.
Da neue Kameras zum Teil sofort mehrere Fotos aufnehmen und zu einem verrechnen, ist dies schwierig bei der Aufstellung von Kriterien für „echte“ und „unechte“ Fotos.
Darauf wird die praktizierte und akzeptierte Dokumentarfotografie eine Antwort geben müssen.
Umgekehrt könnte man aber auch sagen, dass Schwarzweissfotos nie eine Situation „echt“ wiedergegeben haben, weil die Fotos eben nicht (farb)-identisch mit der Situation waren. Aber stimmt das Argument?
Hier kommen Fragen auf, die auch zu einem neuen Selbstverständnis führen werden und wahrscheinlich unterschiedlich in der Betrachtung bleiben.
3. Welche Qualitätskriterien gibt es für Fotografie-Seminare?
Bei den einschlägigen Seiten für Fotokurse und Seminare wird man mittlerweile von Angeboten erschlagen. Aber ich habe mittlerweile zu oft erlebt, dass Fotografen oft glauben, wer mit einer Kamera umgehen kann, der kann auch unterrichten. Und dies geht sehr oft schief.
Didaktik und Methodik muss man eigentlich an einer Uni lernen. Das setzt das Wissen um die verschiedenen Lerntechniken, die verschiedenen Arten von Intelligenz, die Psychologie des Lernens, Gruppendynamik und vieles mehr voraus. Nur so kann ich Fragen beantworten wie die, mit welchen Methoden ich in welcher Gruppe am besten arbeite und welche Inhalte ich warum auswähle.
Aufgrund eigener Erfahrungen bin ich von Fotokursen ziemlich enttäuscht. Um ein Beispiel für gute Arbeit zu nennen muß ich rückblickend sagen, die besten (Wochen-)Kurse habe ich an der Akademie Remscheid erlebt.
Ich will dies einmal an einem Beispiel deutlich machen. Dort wurde zu einem Kurs zum Thema Porträtfotografie eingeladen. Alle Teilnehmer (6-8 max. 10) mussten vorher klar mitteilen, wo sie stehen und was sie können. In dem Seminar wurde nicht nur eine historische und aktuelle Einführung gegeben sondern danach erhielten alle Teilnehmer mehrere Aufgaben. Sie mussten sich gegenseitig porträtieren, was gut für die Gruppenbildung war. Später musste man für eine gewisse Zeit eine Person in der Arbeitswelt begleiten (mehrere Tage). Dazu waren die Personen vorher angesprochen worden, z.B. ein Künstler, eine Unternehmerin, eine Ladenbesitzerin, ein Sozialarbeiter, ein Förster etc.
Das war wichtig, weil Fotografie heute nicht mehr im luftleeren Raum arbeitet, sondern Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte, Datenschutz (!), Rechte an Produktabbildungen, fotografische Möglichkeiten und vieles mehr besprochen werden mussten.
Die zu Porträtierenden mussten ja auch in einem Vorgespräch ihre Erwartungen, den Umgang miteinander und einiges mehr klären. So entstand ein Seminar, das dann nach den Aufnahmen mehrere Tage Zeit in Anspruch nahm, um die Fotos zu bearbeiten, eine Geschichte daraus zu machen und diese dann untereinander zu präsentieren und später in einer Ausstellung zu zeigen, zu der alle Beteiligten eingeladen waren. Es war auch viel Arbeit für die beteiligten Dozentinnen und Fotografen.
Das war ein sehr gutes Seminar, didaktisch und methodisch hervorragend aufbereitet und für alle Beteiligten eine intensive Qualifizierung. Natürlich kostet dies auch Geld, aber das ist ein Investition gewesen, die sich fotografisch lebenslang auszahlt.
Danach habe ich mehrere Seminare im weiten Bereich Fotojournalismus erlebt, die von Fotografen meiner Meinung nach ohne didaktische und methodische Kenntnisse durchgeführt wurden. Je größer die Namen in der Fotoszene, je teurer, desto – na ja.
Dort wurde z.B. erklärt, wenn man zu dem Seminar komme, müsse man selber schon dafür gesorgt haben, dass an dem Seminarort eine Person ist, die man porträtieren kann (!). Die Seminare hatten i.d.R. zwischen 12 und 18 Teilnehmern. Es waren keine klaren Kenntnisse über die Teilnehmer vorhanden. Nach dem Motto „Learning by doing“ wurde man dort in unstrukturierte Überarbeitungssituationen gebracht. Darauf angeprochen war die Antwort meistens, dass dies ja sonst auch so sei.
Mitnichten, denn gerade ein Seminar soll ja Lernsituationen schaffen, die förderlich sind für das Thema und die Teilnehmer sollen sich auf das Thema konzentrieren können. Die Seminarleiter und Dozenten müssen eigentlich die Arbeit vorbereiten und die Gruppen müssen so klein sein, dass ein gemeinsames Lernen möglich ist. Das ist bei 12 und mehr Personen in solchen Seminaren nicht der Fall.
Dies ist natürlich nur ein skizzenhafter Einblick. Aber ich wollte zumindest deutlich machen, dass hier mittlerweile ein grosser Markt entstanden ist, der gutes Lernen oft nicht möglich macht. Aber wie gesagt, es gibt auch Qualität und dies nicht nur in der Akademie Remscheid sondern auch an anderen Stellen. Aber man soll auch Beispiele für gute Arbeit nennen. Deshalb wollte ich zeigen, dass gute Kurse nicht unbedingt nur in den grössten Städten zu finden sind sondern eher abseits der Hauptstrassen…
Fazit
Die digitale Welt verändert sich ununterbrochen. Daher müssen transparente Überlegungen, klare Kriterien und klare Grenzen in vielen Bereichen entwickelt werden. Und diese müssen verändert werden, wenn sich die Voraussetzungen ändern.
Dies erleben wir gerade. Drei Bereiche habe ich rausgegriffen. Die Fotografie und das, was daraus wird, entsteht und entwickelt sich auch im Kopf und wenn auch nur als Reaktion auf Veränderungen in der Technik. Deshalb lohnt es sich, solche Entwicklungen in Worte zu fassen, darüber zu schreiben und darüber nachzudenken.
In diesem Sinne
… darüber zu schreiben und darüber nachzudenken – das macht fotomonat!
Danke Michael Mahlke.
Gruß Gert Vogt