Diese Fotos von mir zeigen soziale Kämpfe und soziales Leben rund um Remscheid und Solingen von 1999 bis 2009. Es ist die Zeit des Sozialabbaus, politisch gewollt, durch SPD und Grüne beschleunigt und durch die EU gefördert. Angst statt Arbeit und immer weniger gute Arbeit waren an der Tagesordnung.
Wie wir heute leben müssen, ist die Folge davon und hier sieht man, wie die kleinen Leute, die Staatsbürger, sich wehrten und von der Politik komplett im Stich gelassen wurden.
Diese Fotos sind ein Querschnitt und ein Längsschnitt aus der damaligen Zeit. Fast nichts ist mehr so wie hier zu sehen, vieles ist einfach weg, viele Frauen und Männer sind schon tot, oft aufgerieben zwischen Arbeit und Leben. Auch ich lebe nur noch mit Hilfe von Zufall, engagierten Menschen und moderner Medizin. Deshalb will ich das zeigen, was sonst niemand zeigen könnte in dieser Form. Es ist ein Beitrag zur regionalen Erinnerungskultur gegen das absolute Vergessen.
Damals fing die Zeit der Digitalkameras an. So gut wie die Kameras waren auch die Fotos, zumal ich nur kleine Kompaktkameras einsetzen konnte. Es herrschte vielfach schlechtes Licht und so verwackelten manche Fotos. Aber die Fotos sind so wie es damals war.
Ich habe vieles gesehen und hatte keine Kamera dabei. Diese „Fotos“ sieht man nicht. Aber alles, was man hier sieht, war öffentlich und/oder so exponiert, daß es Bilder aus der Sozialgeschichte regional in und um Remscheid und Solingen von 1999 bis 2009 sind.
Ich veröffentliche sie 2019. Es hat sich so ergeben – 1999, 2009, 2019. Sie sind ein Beitrag zum Gedächtnis des Bergischen Landes und seiner Menschen. Wer genauer hinschaut spürt, daß die Fotos auch die jeweilige Atmosphäre rüberbringen, Reserviertheit, kritische Blicke und Vorsicht eingeschlossen.
Ich habe vieles mit der Brille des Historikers und Dokumentaristen bzw. Dokumentarfotograf gesehen, auch wenn ich zugleich Akteur war. Plötzlich war da einer, der den Menschen sagte, ich möchte euch fotografieren und die Bilder für die Nachwelt festhalten. Auch ihr und euer Leben und eure sozialen Anstrengungen sind wichtig. Das war für viele die erste Begegnung mit Digitalkameras und sich selbst als dokumentationswürdig. Aber eigentlich haben sich alle immer gefreut, wenn ich darüber sprach, daß ich sie und ihre Zeit für die Nachwelt festhalten wollte, damit nicht einfach alles vergessen ist. Beiträge zur Geschichte von unten sozusagen oder Sozialageschichte aus Sicht der Betroffenen und ein Stück Gewerkschaftsgeschichte. Es gibt viele Blicke darauf. Hauptsache man kann was sehen.
Einige Fotos zeigen die Spuren dieser sozialen und aufreibenden Kämpfe in den Gesichtern der Menschen. Aber es gibt eben auch das Lachen, das manches erträglicher machte, auch für mich.
Es ist die Zeit nach dem Ende der Arbeiterbewegung. Die SPD hatte sie mit der Agenda 2010 und Hartz 4 zerschlagen und die soziale Not wieder eingeführt und die Menschen waren vor Ort ohne politische Vertretung auf sich allein gestellt.
Es gab kein Happyend.
Solidarität aus Not geboren und die Grenzen und Möglichkeiten von Gewerkschaften werden ebenso sichtbar wie die grenzenlose Gier, die damals (bis heute?) fast machen kann, was sie will.
Diese Fotos zeigen eine Zeit, die vorbei ist aber nicht die Folgen.
Nur auf den Fotos ist sie noch zu sehen – klicken Sie hier.
Es sind Ausschnitte eines Rahmens, der über die Region hinausgeht.
Wie die industrielle Arbeitswelt war und wie brutal man den Arbeitenden ihre Rechte nahm zeigt sehr deutlich die Einführung der Rente mit 67. Die industrielle Arbeitswelt vor Ort und den politischen Kampf gegen die Rente mit 67 habe ich schon früher gezeigt. Zusätzlich habe ich ein Video erstellt, das in gut 3 Minuten 15 Jahre in 15 Fotos packte, um Schwerpunkte bei den Kämpfen gegen Sozialabbau und den sozialen Alltag in der industriellen Arbeitswelt zu zeigen.
Zur Erläuterung einige Infos zur Rente mit 67: Während es in den nordischen Ländern in Arbeitsverhältnissen über 60 Lebensjahre z.B. auch 60 Tage Urlaub gibt und hohe Löhne, werden und wurden in Deutschland die Arbeitnehmer eher mit Mitte 50 entlassen oder sind sowieso nur befristet mit schlechtem Lohn eingestellt und müssen dann zunächst verarmen, bevor sie länger Hilfe vom Staat erhalten, um vielleicht irgendwann zu schlechten Bedingungen und mit Minimalurlaub über 60 noch arbeiten zu gehen, weil Rente vor 67 lebenslange hohe Abzüge zur Folge hat, so daß man im Alter arm bleibt. Das gilt auch bei 1200 Euro Rente brutto. Das war vor der Agenda 2010 anders, ähnlich gut wie in Österreich.
Und einige wollen in der CDU/CSU aktuell, daß es noch schlimmer wird und wahrscheinlich auch in der SPD, bei den Grünen und der FDP…
Erwähnen möchte ich noch die von mir vor Ort damals dokumentierten Propagandakampagnen der Regierenden mit unseren Steuergeldern – ein echter Hohn.
Die Auswirkungen dieser Zeit festzuhalten erfordert heute neue Dokumentarfotos. Es gibt also auch dokumentarfotografisch genug zu tun. Hoffentlich macht es jemand.
Ich möchte noch anmerken, dass es sozial parallele Welten in einer Region gibt. Mir war das so zunächst nicht klar, weil es sich bei den Industriestrukturen hier um das dominante Arbeitsthema der Region handelte. Aber später stellte ich fest, dass viele davon nicht Betroffene (Handel, Beamte, öffentlicher Dienst etc.) davon nichts mitbekommen haben oder es sie auch nicht interessierte, weil sie nicht betroffen waren. So war das Thema strukturell sozial zwar wesentlich für die Region aber für viele andere in anderen parallelen Welten unbekannt oder uninteressant. Das Ergebnis heute ist eine verfestigte zunehmende Hartz4 Struktur in der Region und viel verschwundene Arbeit ohne echte neue Perspektiven.
Man sollte noch hinzufügen, dass wenige Jahre vor der Rente mit 67 die meisten mit 56 in Vorruhestand konnten und Frauen mit 60 ohne Abzüge in Rente. Die wenigsten litten darunter und hier war sozialer Frieden.