Zwischen Endzeit und Neuzeit oder Rückblick als Ausblick zwischen Geschichte und Fotografie


Irgendwie stelle ich fest, daß sozial, industriell und technisch ein Zeitalter zu Ende gegangen ist. Es ist aber nicht nur Endzeit sondern auch Neuzeit.

Astrologisch ist dies schnell erklärbar, aber darum geht es mir hier nicht.

Ich habe hier beim Thema Fotografie und Technik und soziale Gebrauchsweisen der Fotografie andere konkrete Kriterien, die mir die neue Zeit vor Augen führen.

Dabei hilft mir ein Rückblick.

Als ich die Herausforderung hatte, Texte zusätzlich mit Bildern zum besseren Dokumentieren zu versehen, gab es real für meine Zwecke nutzbar eigentlich nur kleine Kompaktkameras.

Die schönen neuen Kameras, die all das erfüllten, was ich glaubte zu brauchen, gab es erst später.

Daraus ergibt sich, daß ich im Kopf einen ganz anderen vermittelten Anspruch an die Technik hatte, der real oft gar nicht erforderlich war.

Heute sehe ich, daß das „Geheimnis“ der Fotopraxis bei meiner sozialen Fotografie ein anderes war.

Henri Cartier-Bresson war z.B. erfolgreich, weil er sich aus Gründen der Komposition in der Brennweite beschränkte und weil er dabei die für die damalige Zeit innovativste mobile Kamera nutzte, eine Kleinbildkamera von Leica und natürlich allerfeinste Beziehungen hatte.

Das war zumindest technisch bei mir ähnlich.

Als ich die sozialen Umbrüche vor Ort mittendrin dokumentierte, nutzte auch ich die damals innovativsten digitalen mobilen kleinen Kameras.

Als es später technisch bessere digitale kleine Kameras gab, habe ich sie mir zwar gekauft, aber bessere Fotos – im Sinne von authentisch und real – habe ich damit eigentlich nicht gemacht.

Es ging eher darum, eigene Ansprüche im Kopf und eine andere Art des Fotografierens umzusetzen.

Ich  mag die „meditative“ Sucherfotografie, aber damit hätte ich in sozialen Situationen keine guten Fotos mittendrin machen können. Der Sucher schafft mental und real Distanz.

Da war der Monitor auf der Kompaktkamera besser, weil er das Miteinander ermöglichte statt der Distanz.

Smartphones empfinde ich fotografisch als nicht so praktisch und flexibel wie die damaligen kleinen Kompaktkameras. Sie sind größer und haben kein echtes Zoom. Aber sie sind Telefon, Post und Fotoapparat in einem Gerät und daher fast immer dabei.

So ist im Rückblick manches besser, was man damals als schlechter ansah und manches neuer aber nicht besser.

Das hängt natürlich mit den erlernten Werten und Bewertungen im Kopf zusammen. Die Praxis brachte dann neue Erkenntnis.

Henri Cartier-Bresson brachte mir das Sehen bei. Die Erfahrungen damit in einer neuen Zeit mußte ich dann selber machen.

Hinzu kommt nun auch noch das Internet-Paradox.

Du kannst heute alles online setzen, so daß es weltweit abrufbar ist – aber wer will es sehen und lesen?

Ich habe dies für meine Dokumentarfotografie und Geschichtsschreibung einmal dargestellt.

Damit bin ich noch nicht bei der Schlüsselstellung von Suchmaschinen und den Filtern.

Auch an dieser Stelle sind wir in einer neuen Zeit angekommen.

Natürlich gibt es unendlich viele Gesichtspunkte unter denen man die neue Zeit und das Ende der alten Zeit beschreiben kann. Hier sind es nur einige wenige aus meinem Themenkreis.

Aber dazu gehört in der Fotografie für mich auch die Frage von Fotoapparaten und Fotocommunity einerseits und Produktpflege andererseits.

Nikon ist für mich der wahre Horror unter dem Gesichtspunkt der Kundenpflege gewesen. Wie da z.B. die Nikon 1 Kunden im Stich gelassen wurden, ist schon einzigartig.

Dagegen war Leica immer schon die Vorzeigemarke, wenn es um Kundenpflege und Kundenbindung ging. Das haben sie in der neuen Zeit wieder neu gestaltet und führen es jetzt wohl einzigartig fort.

Einige Jahre hatte ich gedacht, daß Fujifilm sich davon etwas abguckt und zumindest in der Kundenpflege bei Softwareaktualisierungen waren sie auf einem guten Weg.

Das hat sich in der letzten Zeit aber wieder geändert. Selbst bei Vorzeigeprodukten wie der X-Pro 2 sind sie 2020 einfach stehengeblieben.

Fuji ist dann den Mittelformatweg gegangen und Panasonic den Vollformat- bzw. Kleinbildweg.

Was soll ich sagen? Großes Schweigen im Walde.

Und bei MFT und APS-C bespielen sie zwar die social media Kanäle, die viele Fotografiebegeisterte eher wenig nutzen, aber sie sind von der Kundenbindung durch Community wie bei Leica wirklich meilenweit entfernt.

Ich bin Fuji und Lumix wirklich dankbar für die bisherigen vielen schönen Kameras, die auch noch viele Jahre nutzbar sein werden. Insofern ist für mich die Beschränkung eine Belohnung.

Aber es zeigt das Gesicht einer neuen Zeit in der Fotowelt.

So könnte man jetzt weiterschreiben über neue Bajonette, neue Objektive zu neuen Preisen, die neue soziale Wahrnehmung von Fotoapparaten und Smartphones, neue Regeln für Fotos und Öffentlichkeit und vieles mehr.

In meiner Wahrnehmung ist fotografisch eine Zeit zu Ende und eine neue Zeit hat begonnen.

Und so ist man mittendrin statt nur dabei.

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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