Der Fotomonat und seine Zeiten

Am 8. Februar 2008 hat archive.org meinen Blog das erste Mal archiviert. Da war ich schon ein paar Monate online. Alles fing 2007 mit fotomonat.de an.

Jeden Monat neue Texte und Fotos sollten es werden. Im Laufe der Jahre waren es so viele Themen und Texte, daß ich zuerst fotomonat aufteilte in Dokumentarisches und Anderes und später wurde daraus das Projekt Fotomonat mit Artlens, Streetlens und Frontlens.

Das veränderte ich dann letztlich zu dokumentarfotografie.de. Artlens.de, Dayart.de und Lenstrip.de.

Dann nannte ich dies alles street62 für meinen Weg auf dieser Welt. Street62 ist Fotomonat und das, was sich daraus ergab und ergibt.

Daran sieht man, daß dieser Blog lebt und ich auch – zumal jede Erkenntnis und jedes Thema neue Fragen und neue Horizonte zur Folge hatte. Gut daß andere auch ihre Erfahrungen in Buchform oder damals auf Blogs publizierten. So konnte ich dies als Erkenntnis nutzen und mit eigenen Erfahrungen abgleichen.

Wenn man nicht als einsamer Vagabund mit einer Kamera enden will, sondern Familie hat, dann kann man die Welt nur dann wirklich bereisen und fotografisch zeigen, wenn man viel Geld hat. Das geht nicht mit Arbeit, die einem genau diese Freiheit nimmt.

Reisefotografie als Königsklasse, vielleicht mit der Leica oder der Hasselblad im Elendsviertel und danach in der Galerie ausstellen …?!

Das sind soziale Gebrauchsweisen der Fotografie, die kleine und feine Leute unterscheiden sollen. Dafür ist reichen Leuten kein Preis zu hoch, wobei es natürlich je nach Geldbeutel und Interesse dann auch das Auto, die Yacht, der Lebensmittelpunkt etc. sein kann. Seitdem die Bildqualität durch technische Verbesserungen überall in digitalen Geräten immer besser wird, ist diese nicht mehr wirklich ein Kriterium für teure Geräte. Sehr wichtig ist die Neuheit einer Sache wobei wirkliche Neuerungen damit oft nicht einhergehen.

Daher werden soziale Attribute, Zugangsvoraussetzungen etc. immer wichtiger, um sich zu unterscheiden und abzugrenzen.

Die Smartphones haben dies etwas aufgemischt aber langsam wird auch hier die alte soziale Struktur über den Geldbeutel wieder eingeführt.

Wer es nicht kann oder will, der muß Dokumentarfotografie draussen vor der Tür praktizieren.

Ich komme materiell von ganz unten und kam im Zeitgeist von Willy Brandt als Arbeiterkind auf die höhere Schule.

Ich bin allen Aufstiegsversprechen hinterhergelaufen, weil ich es in der Schule so gelernt hatte, habe mich immer qualifiziert und mit Abschlüssen bewiesen, was ich konnte, um dann zu erleben, daß man überqualifizert war oder unterbezahlt worden ist.

Vor Augen habe ich Wolfgang Tillmans. Wir waren auf einer Schule, er stammte aus einer reichen Kaufmannsfamilie und konnte sich aufs Kennenlernen der Welt konzentrieren, während ich kein Geld für die Fahrkarte nach Köln hatte.

Ihn nenne ich hier aber nur, weil es um Fotografie geht und er bekannt ist und es diesen Zufall gibt. Ich könnte auch andere nennen, deren Eltern Unternehmen hatten und die sofort in leitende Positionen kamen ohne besonders qualifiziert zu sein. Mir erzählte man stattdessen was über Qualifikationen und als ich bei der Bank war mit einem ausgereiften Produkt und echtem Umsatz, um Neues zwischenzufinanzieren, wurde mir erklärt, ich hätte ja keine zusätzliche Sicherheiten trotz florierendem Geschäft … start up – start down. Das war vor gut 30 Jahren.

Viel zu spät habe ich bemerkt, daß Kompetenz stört. Es kommt nur darauf an, was man hat und wen man kennt und nicht was man kann.

Leider gibt es keine Auflehnung dagegen sondern kollektives Ducken.

Das ist übrigens das Schicksal der Armen, weil sie sich nicht wehren und sie wehren sich nicht, weil sie als Sklaven lieber Aufseher der Sklaven werden wollen als die Sklaverei abzuschaffen, wie ein kluger Kopf einmal schrieb.

Daher mußte ich mich in mein Schicksal fügen – widerwillig – und fotografierte dann eben meine Themen: Grenzen, Verluste, Schwierigkeiten, Unrecht und Hoffnungslosigkeit.

Fotografie wurde meine visuelle Methode, um mich mit Abstand und Interesse der Welt zu nähern.

Durch das Sehen dieser Themen kam ich durch meine gedanklichen Instrumente zum  Verstehen sozialer Strukturen und von Macht und Ohnmacht.

Und es gab und gibt ja wirklich einige gute Kameras, die bezahlbar materiell kleinen Leuten fotografisch alles bieten, was wünschenswert und angenehm ist. Das habe ich ja hier oft genug beschrieben und das bot mir die Chance, digitale Fotografie als Werkzeug zu nutzen.

Ich bin also reiner Amateur und die Spuren von Arbeit und Alter sind meine Grenzen. Ich merke zudem, wie mein Studium in Geschichte, Sozialwissenschaften und Jura mein Denken prägt.

Aber ohne Fotografie und Lesen und Schreiben wäre ich sicherlich schon lange hirntot oder ganz tot.

So ist dieser Blog dann auch anders, er hat sozusagen Alleinstellungsmerkmale anderer Art.

Insofern ist Fotografie für mich Lebenstherapie.

Arthur Schopenhauer, Albert Camus und einige wenige andere sind für mich wichtige Gedankengeber für meine Zeit hier auf dieser Welt.

Für mich ist auch dayart.de nicht nur ein Blog sondern Ausdruck des täglichen Daseins, um meine lebensversuche.de umzusetzen in diesen ungerechten Grenzen während meiner Lebenszeit.de.

Soll ich das alles in Büchern veröffentlichen? Wer kauft die ohne Protektion und was kostet mich die Produktion sind die Fragen, die direkt zu den Antworten führen und die realen Grenzen zeigen.

Der Blog, das Bloggen oder die Webseite ohne Werbung ist die demokratische Antwort darauf. Hier kann ich das aufschreiben, was mir einfällt und mir wichtig erscheint.

Und deshalb ist dies bisher so wie es ist.

Ob es so bleibt?

Ich weiß es nicht.

Die neue Verarmung und der bewußte Grenzverzicht werden nun zur neuen MesserundGabel-Frage und das wird böse enden, wenn nichts geschieht. Momentan wird der erforderliche soziale Wechsel hin zu mehr Grenzen bei Preisen und Produkten und zu mehr Staatsgrenzen durch einen Bilderwechsel ersetzt. Das wird nicht reichen.

Das gehört auch zu den Gebrauchsweisen der Fotografie: sie steht in den Massenmedien meistens im Dienst der Mächtigen so wie Videos …

Aber so wunderbar die Gabe des Wissens ist, so wenig hat sie doch Macht über das Geschehen…

Heute war für mich ein guter Tag, weil meine Kreativität gut umsetzbar war. So ist mir dieser Text heute ( in Version 1) einfach so beim Schreiben aus den Fingern geflossen, er war wohl in mir drin und wollte nun raus. Ich habe ihn weder geplant noch wollte ich ihn schreiben, aber er war plötzlich fertig und nun steht er hier (mittlerweile verfeinert und präzisiert als Version 2).

So geht das mit dem Schreiben und Fotografieren.

In diesem Sinne

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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