Der neue Luxus: gute Fotografie

Fotokunst – Foto: Michael Mahlke

Digital kann jeder

Digitale Fotos kann jeder machen. Dafür braucht es nur ein Handy oder eine von Millionen kleiner Kompaktkameras. Mehr nicht. Und die meisten sind mit ihrer Art von Foto auch zufrieden.

Eine sehr interessante Debatte gibt es gerade zum Thema Kindergartenfotografie. Sehr viele Kommentare und die Autorin dort beschreiben, dass die Eltern lieber ihre Kinder adrett aufgestellt fotografieren lassen wollen für kleines Geld, statt die individuellen Fotos der Fotografin für mehr Geld zu nutzen.

Der Artikel ist ein schönes Beispiel für den Umbruch im Bereich der Digitalfotografie. Heute kann jeder digitale Fotos machen. Das ist der entscheidende Unterschied zu früher. Wer damit Geld verdienen will, der  hat damit seine Probleme.

Ein Foto ist heute nur noch einen Knopfdruck entfernt und Teil der meisten Handys. Und wer eine Kamera nimmt, der ist meistens fotografisch noch etwas selbstbewußter.

Der Preisverfall ist da – zum Teil

Der Preisverfall beim Erstellen von Fotos ist in vielen Bereichen da.  Das sind aber meistens auch Arbeitsfelder, die quasi jeder mit einer Kamera erreichen kann. Über diesen Bereich schreibe ich hier.

Anders ist es z.B. bei Industriefotografie, z.T. Mode etc., bei denen schon das technische Equipment wesentlich größer ist und manche Aufträge eben nur mit viel Technik überhaupt ausgeführt werden können. Da fallen dann auch nicht unbedingt die Preise.

Und nun?

Und wie geht es nun weiter? Dass mit der Erfindung des Buchdrucks die Mönche arbeitslos wurden, die Bücher kopierten, ist bekannt.

In einer Welt, die digitale Fotos selbstverständlich nutzt, werden diese auch weiterhin gebraucht. Das ist auch klar. Aber der Anspruch an Fotos ändert sich je nach dem Anspruch des Betrachters.

Würde Henri Cartier-Bresson heute mit seinen Fotos noch Geld verdienen können? Daran kann man zweifeln ohne seine großartigen Fotos in Frage zu stellen.

Es werden immer mehr Fotos gebraucht

Es werden immer mehr Fotos gebraucht. Und es werden immer mehr Fotografinnen und Fotografen gebraucht. Aber wo viele Anbieter sind, bestimmen die Kunden die Preise und den Standard.

Babyfotografie, Kindergartenfotografie und Bewerbungsfotos sind wohl einige der Bereiche, in denen auch privat am meisten fotografiert wird.

Hätten die Diskutanten in dem obigen Artikel das Buch Fotoshooting gelesen, dann wäre ihnen klar, dass Eltern auch Bilder ihrer Kinder entwerfen.

Und wie sollen die sozial anerkannten Fotos sein? Mit Rotznase und angeschnittenem Kopf, damit Dritte evtl.  hinterher sagen können, da fehlt was oder das Kind war unbeaufsichtigt?

Nein, natürlich umgekehrt. Logischerweise wollen Eltern Fotos, die zeigen, dass es sich um ein sauberes und adrettes Kind handelt. Und das Foto soll auch in 20 Jahren noch nutzbar sein. Was ist daran schlecht? Das ist der sozial anerkannte Standard.

Der neue Standard in der Fotografie

Wer aber nun selbstbewußt fotografiert, der will auch hinterher hören, dass seine/ihre Fotos schön sind. Deshalb werden sie „gepostet“, also reingesetzt in Facebook und Co oder in FotoCommunities.  Und wenn viele „Freunde“ nun noch schreiben, wie toll dies alles ist, was soll denn da nicht stimmen? Damit ist ein neuer Standard etabliert in der Wahrnehmung. Und damit ist klar, was gute Fotografie ist – oder?

Was ist gute Fotografie?

An dieser Stelle dringen wir in den Kernbereich vor. Ist gute Fotografie heute noch erfolgreich? Was ist gute Fotografie?

Die einfachste Antwort aus Sicht von Menschen, die davon leben wollen, lautet, gute Fotografie ist das, was der Kunde bezahlt. Umgekehrt wäre dann schlechte Fotografie das, was der Kunde nicht bezahlt.

Dass dies so nicht stimmt, scheint klar. Das Thema ist interessant und schwierig. Das wissen auch die Verfechter der vorgenannten These. Daher sprechen sie klugerweise  bei Arbeiten ohne Auftrag von freien Arbeiten.

Aus der Sicht derjenigen, die einfach Fotos machen, ist gute Fotografie das, wofür man in sozialen Netzwerken gelobt wird.

Denn heute ist Geld die erste Währung und soziale Anerkennung die zweite Währung.

Gute Fotografie ist also schon davon abhängig mit welcher Währung gezahlt wird.

Nun gibt es ja Märkte als Orte, an denen sich Anbieter und Nachfrager treffen. Auf welchen Markt geht man da?

Wenn wir uns vom Markt der Anerkennungen in den Fotocommunities abwenden und uns zum Thema „kommerziell erfolgreich“ hinwenden, dann landen wir auf dem wachsenden Markt der „Fotokunst“. Aber auch hier ist es schwierig:

  • Es gab mal ein Buch mit dem Titel Das Kunsturteil. Der Autor fing nach meiner Erinnerung gedanklich ganz einfach an und stellte fest, dass Kunst nur dann existiert, wenn man Kunst von Nicht-Kunst unterscheiden kann.
  • Daneben muss man auch Kriterien für das Anschauen von Fotos entwickeln. An dieser Stelle werden dann Fragen wichtig wie die, welche Rolle die visuelle Grammatik des Sokrates noch spielt, eine entscheidende Rolle oder nur noch eine marginale Rolle?
  • Und natürlich spielt auch die dokumentarische Fotografie eine Rolle. Kann sie kommerziell erfolgreich sein?

So wird die nächste Zeit auch hier bei fotomonat versucht werden, in Theorie und Praxis u.a. Antworten zu finden auf die einfache Frage, was ist gute Fotografie. Zumal „gut“ immer abhängt vom Zeitgeist.

Und neben den „guten“ Fotos gibt es dann noch die „besseren“ Fotos, die sich vielleicht aktuell nicht verkaufen, aber von der Nachwelt als besonders gut empfunden werden.

Nachtrag: Für den Bereich der Strassenfotografie habe ich mittlerweile Kriterien für „gute“ Strassenfotografie entwickelt und in einem Artikel publiziert. Für andere Bereiche gelten diese Kriterien nur eingeschränkt und die „visuelle Grammatik“ dafür uneingeschränkt.

Text 1.1

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

4 thoughts on “Der neue Luxus: gute Fotografie

  1. Ich schlage vor, den Rahmen einer Diskussion etwas weiter zu fassen, und greife dabei auf die Überlegungen von Bourdieu von den „sozialen Gebrauchsweisen der Photographie“ zurück. Das hier m. E. wichtige Argument liegt darin, die Quellen der (unterschiedlichen) Gebrauchsweisen von (unterschiedlichen) sozialen Gruppen nicht den den Photographien, sondern in den jeweiligen Lebenspraxen der Nutzer zu suchen. Eine Gebrauchsweise als Kunst (hier weit gefasst und nicht auf Hochkultur reduziert) ist dabei nur eine. Für französische Arbeiter der sechziger Jahre konnte Bourdieu u.a. zeigen, daß der Umgang mit Fotos durch das Bemühen gesteuert ist, den Familienzusammenhang (auch im weiteren Sinne) zu stabilisieren. Nach ihrem Nutzen zu diesem Zweck wurden Photos gewertet, nicht nach den Maßstäben von (irgendeiner) Kunstrichtung. Das „frisch geputzte Kind“ ist dann in diesem Kontext ein gutes Bild, während sich jemand, der der Ästhetik des „entscheidenden Augenblicks verpflichtet, das Bild nicht so toll findet. Genereller könnte man fragen, in welcher „sozialen Gebrauchsweise“ oder in welchem Nutzungskontext ist eine Foto eine „gute Fotografie“.

    Eine Schwierigkeit, hier weiterzukommen, ist sicher dem Umstand geschuldet, daß es keine belastbaren Untersuchungen über „soziale Gebrauchsweisen der Photographie“ für die verschiedenen sozialen Gruppen in der Bundesrepublik 2012 gibt. Es hat wenig Sinn, sich auf die alten Befunde zu beziehen. Falls es aktuelle Untersuchungen gibt, wäre ich für Hinweise sehr dankbar.

    Hält man es für plausibel, dass sich die Gebrauchsweisen in der Zeit verändern, vorzugsweise über den Generationswechsel, kann könnte es sein, dass die Eltern, die Kindergartenbilder erwerben, um mit den Bildern -wie oben formuliert – den Familienzusammenhang zu stärken, mit dem Umstand konfrontiert sind, dass hier unterschiedliche soziale Gebrauchsweisen ins Spiel kommen. Bezogen auf den von Michael Mahlke herangezogenen Artikel einer ambitionierten Kindergartenfotografin wären dies deren eigene künstlerische Gebrauchsweise, die Gebrauchsweise(n) der Eltern und die der Großeltern. Wenn ein Bild nicht gekauft wird, weil man es der Oma nicht schenken kann, muss das kein vorgeschobenes Argument sein. Oma hat eben ihre eigene Gebrauchsweise von Fotos, und diese ist eben nicht die der Photographin. Die Eltern sind eingeklemmt dazwischen.

    Ich hoffe, die vorgeschlagene Erweiterung des Diskussion verdeutlicht zu haben.

    Klaus Peter Wittemann

  2. Diese Erweiterung der Diskussion ist ausserordentlich fruchtbar. Wenn man bedenkt, dass die hier aufgeführten Argumente offenkundig heute – also 50 Jahre später – ebenso aktuell sind wie in den 60er Jahren, dann dokumentiert die aufgeführte Debatte über die Kindergartenfotografie genau das, was Bordieu festgestellt hat und durch ihren Beitrag aktualisiert für das Jahr 2012 fokussiert wurde.

    „Wer posiert, wünscht in einer Haltung fotografiert zu werden, die weder „natürlich“ ist noch dies sein will. Hinter der ´korrekten Haltung´(in bester Kleidung) und hinter der Weigerung, sich bei einer alltäglichen Verrichtung überraschen zu lassen, steckt ein und dieselbe Absicht. Eine Pose einzunehmen bedeutet, sich selbst zu achten und von anderen Achtung zu verlangen.“

    Genau dieser Gedanke von Bordieu spiegelt sich in der Debatte wieder, nur eben sind die Eltern in diesem Fall diejenigen, die für ihre Kinder als Teil von ihnen selbst handeln.

    „Das Porträt ist die Objektivierung des Sebstbildes… Dem Respekt vor der Etikette vergleichbar, ist die Frontalität ein Mittel, die eigene Objektivierung selbst zu betreiben. Ein geregeltes Bild von sich zu vermitteln, ist eine Möglichkeit, die Regeln der Selbstwahrnehmung draussen durchzusetzen.“

    Da Kinder in diesem Alter vielfach noch als Teil von sich selbst wahrgenommen werden, ist so auch soziologisch nachvollziehbar, was hier abläuft.

    Die sozialen Funktionen der Fotografie sind quasi musterhaft in dem Artikel und der Debatte darüber vielseitig dargestellt worden. In den meisten Fällen sicherlich ohne sich über die theoretischen Dimensionen klar zu sein.

    Aber es zeigt sich genau darin ja ein Stück gesellschaftliche Wirklichkeit. Konventionen und soziale Regeln zeigen sich hier sehr ausdrucksstark.

    Wenn man das gedanklich erweitert könnte man auch sagen, dass die fotografischen Ansätze der Fotografin eine Art soziale Respektlosigkeit bei Betrachtung unter der oben aufgeführten Perspektive darstellen (wobei dies nicht gegen die Fotografin gerichtet ist sondern lediglich zeigt, dass ihre Abweichung von den sozialen Konventionen mit Nicht-Kauf abgestraft wird).

    Da es zudem heute im Zeitalter des öffentlichen Menschen verstärkt um die Wirkung geht und dies in unsicheren Zeiten, geben Konventionen scheinbar Halt und Sicherheit.

  3. vielen dank für diese weiterführung der diskussion auf kwerfeldein.

    sicherlich steht die subjektive nutzung der fotos im vordergrund, um zu entscheiden, was für einen selbst ein gutes foto ist.
    und über kunst und geschmack lässt sich bekanntlich auch streiten. die weiterführung über sinn und zweck der „gebrauchsfotografie in kindergärten“ kann man ins philosophische ausweiten, denn wenn eltern nicht mehr selber entscheiden, ob sie die fotos mögen oder nicht zeigt doch auch, dass sie von ihren eltern, also den omas und opas, in die richtung erzogen wurden, keine eigene meinung zu bilden. sie entscheiden sich anhand der nutzungsmöglichkeit gegen die bilder. wenn sie sie wirklich mögen würden, dann hätten sie die fotos aber wohl doch genommen. unter diesem aspekt sehe ich schon einen „vorwand“ um sich zu rechtfertigen, der einfacher auszusprechen scheint, als die ehrliche meinung, dass einem die bilder nicht gefallen. jedoch ist das in meinen augen die falsche rücksichtnahme.

    meine erfahrung in der hochzeitsfotografie bestätigt auch, dass viele paare ihre feier nach ihren eltern ausrichten und sich davon beeinflussen lassen, wie das fest auszusehen hat. moderne fotografie wird auch hier oftmals von den älteren nicht verstanden, da die klassischen bilder gar nicht oder mit einer anderen herangehensweise gemacht werden. wenn am ende jedoch die ergebnisse gesehen werden, sind selbst die konservativ eingestellten leute überaus überrascht, wie fotografie tatsächlich auch aussehen kann. emotional und alles andere, als simpel hingestellt und abgedrückt.

    und wenn ich nun noch die mode- und werbefotografie hinzunehme sieht man auch hier eine spiegelung der gesellschaft, denn die glattgezogenen schönheitsideale beschimpfen zwar die meisten aber gemacht wird es dennoch. schönheit liegt im auge des betrachters aber das ideal entwickelt sich mit der gesellschaft. wie sehr versuchen wir uns doch aus dem idealzwang zu befreien, den uns die modeindustrie und die werbung vorsetzen. die tagtägliche konfrontation, wie man auszusehen hat, damit man erfogreich wird, ist schon grotesk. heidi klum und co strecken uns die zunge raus, weil sie durch ihre schönheit erfolgreich sind, die wahren werte aber bleiben im verborgenen. und trotzdem reden wir alle davon, dass wahre schönheit von innen kommt.
    ich bin kein freund von beauty retusche, denn auch hier werden noch die schönsten frauen verändert, bis sie noch perfekter erscheinen. unnatürlich und glatt. ich erinnere mich gut an ein werbefoto von demi moore, bei dem ihre arme und hände, wie die einer wachsfigur aussahen. „das macht man, um die richtige zielgruppe anzusprechen…!“ die zielgruppe, die zig-tausend dollar in operationen stecken. das ist krank in meinen augen. und es gibt tatsächlich eine sucht nach schönheitsoperationen. und geschürt wird diese durch die werbeindustrie und dank photoshop. ein gesunder menschenverstand hingegen kann uns zurück blicken lassen, als rubens eine schönheit gemalt hat, die noch heute ihres gleichen sucht. wenn ich heute auf frauen mit rubensfigur treffe, reiße ich die arme hoch und jubel, wenn ich erkenne, dass sich diese frauen in ihrem körper wohl fühlen und sie ihre wahre schönheit erkennen. die ausstrahlung kann man nicht operieren und man kann auch mit photoshop keine innere schönheit nach außen bringen. zum glück!!!

    wie man sieht, geht das gesamte thema in allen bereichen der fotografie sehr in die tiefe, und ich freue mich sehr darüber, dass mein artikel viele leute zum nachdenken angeregt hat und vielleicht ist es ein anfang, ein umdenken in der heutigen gesellschaft möglich zu machen.

    katrin

  4. Als Nicht-Fotografin, also Kundin, Liebhaberin von KUNSTfotos, also GEKONNTEN, das heißt für mich HANDWERKLICH planbaren und dieser Planung auch gehorchenden Bildern, Hobby-KUNSTfotografin und Musikerin möchte ich nur konstatieren: Diese Entwicklung gilt für wirklich ALLE Bereiche der Kunst! Im Musiksektor existiert das Problem schon länger, weil die digitale Audiotechnik der Bildtechnik um Meilen voraus ist und seit 20 Jahren jeder im Wohnzimmer eine verkaufsreife CD produzieren kann – was die Technik betrifft. Unsere Rezeptions-Welt wandelt sich, aber die Masse und der Konsum sind wie immer schon die Maßstäbe für den BERUF im Sinne: kann ich davon leben? KUNST kann trotzdem existieren, und letzten Endes werden wir es ebenso machen wie die Künstler aller Zeiten: Für Geld Aufträge erledigen, Königsportrait, salbungsvolle Messe, Firmenjubiläumsbespaßung oder Kindergartenfotoserie, und parallel unsere brotlose Kunst machen. Für uns, die Freunde, den kleinen Kreis an Kennern, und für die Nachwelt. Die Kunst ist immerhin das, was bleibt, nicht der Standard. War es denn jemals anders?

    Macht weiter, Leute!
    Feline

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