Ich bin auch als Dokumentarfotograf immer Amateur und Dilletant geblieben. Warum?
„Der Fotograf nimmt Stellung zur Wirklichkeit, wie sie ihm erscheint. Der Blick des Professional auf die Wirklichkeit gleicht dem der Nutte auf den Kunden. Er sucht sie nach Ausbeutungsmöglichkeiten ab. Der Profi steht immer zu Diensten. Aber nicht jedem. Selber ein charakteristisches Produkt unserer Gesellschaft, stellt er seine Fähigkeiten dem Teil der Gesellschaft zur Verfügung, der die Normen bestimmt. Da findet er das Geld und die Anerkennung.“
Wußten Sie, daß die Wörter Amateur und Dilletant früher positiv gemeint waren. Das war zu der Zeit als Bildung und Freiheit noch einen Wert hatten. Denn im Wort Amateur steckt das lateinische Wort amare = lieben und im Wort Dilletant steckt das Wort delectare = erfreuen.
„Fotoamateure in diesem Sinne waren Menschen, die die Fotografie liebten, sich ihrer erfreuten und sie mit Leidenschaft und Kompetenz, aber ohne Fachausbildung, also semi-professionell, praktizierten. Von ihnen bzw. von der sog. Dilettantenbewegung gingen um 1900 maßgebliche Impulse in Richtung einer Erneuerung der häufig in kalter Routine erstarrten Fotografie aus.“
Kalte Routine so wie heute in der neuen fotografischen Langeweile weltweit bis hin zur Stockfotografie und natürlich die Gewinnerfotos vieler Awards, wobei die Gewinner das anders sehen werden.
So schreiben es Rainer K. Wick und Wolfgang Vollmer in ihrem Buch „Werkstatt Fotografie.“
Roman Marek weist darauf hin, daß die Avantgarde des 20. Jahrhunderts (Expressionismus, Dada-Bewegung) die Kategorie des Dilletanten nutzte, um sich gegen gängige Muster von Rezeption und Produktion abzugrenzen.
Und Roland Barthes schrieb in seiner hellen Kammer „Gewöhnlich wird der Amateur als unausgereifter Künstler definiert; als jemand der zur Meisterschaft in seiner Profession nicht aufsteigen kann – oder will. Auf dem Felde der photographischen Praxis dagegen überflügelt der Amateur den Professionellen: er kommt dem Noema der Photographie am nächsten.“
Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum die Fotografie und die Fototechnik die ewige Jugend zelebrieren. Ich habe das den flotten Dreier in der Fotografie genannt.
Und als ob das noch nicht genug wäre, setzt Dieter Hacker noch einen drauf:
„Der Amateur liebt seine Arbeit. Dieses Verhältnis zu seiner Arbeit hat für ihn viele Konsequenzen. Denn unsere Gesellschaft honoriert nicht, was wir lieben, sondern was wir für ihren Fortbestand leisten. Die Arbeit des Amateurs gilt wenig. Da er seine Arbeit macht, um ein persönliches Bedürfnis zu befriedigen, bleibt er in der Regel auch der wichtigste Nutznießer seiner Arbeit… Der Amateur ist für die Industriegesellschaft nur interessant, sofern man mit ihm Geschäfte machen kann. Beim Fotoamateur ist das so. Unermüdlich und mit Hilfe von Werbeanzeigen, Großplakaten, Fotomagazinen, Fotoausstellungen, Fotobüchern und Sondereinlagen der illustrierten Zeitungen werden die Leute zum Fotografieren angeregt.“
Und nur wenn sie dann die neusten Produkte kaufen, können sie dann auch Wettbewerbe gewinnen, ist die versteckte Botschaft …
Und dann kommt das Geheimnis der Kunst und der Revolution: „Befreit davon, Waren produzieren zu müssen wie der Profi, hat der Amateur die Chance, durch seine Arbeit zu wichtigen Einsichten zu kommen und sie, unberührt von den Interessen professioneller Multiplikatoren vermitteln zu können. Was dem Berufskünstler kaum gelingt, nämlich die Realisation seiner Intentionen; was ihm deshalb nicht gelingt, weil sich aus dem wahren Charakter des Kunstwerkes Zwänge ergeben, denen er sich schwer entziehen kann, ist für den Amateur kein Problem, denn er muß von seiner Amateurarbeit nicht leben.
Amateurarbeit, die sich von ihrer Fixierung an die Arbeit der Profis befreit, könnte eine Ahnung davon vermitteln, was nicht entfremdete Arbeit ist und so eine wichtige Utopiefunktion erfüllen. Nicht vergessen: die Revolution ist die Arbeit von Amateuren.“
Ich bin im Wortsinn ein Amateur mit meiner wirklichen Fotografie.
Es ist meine Chance die Wirklichkeit fotografisch zu sehen und zu konstruieren und dem humanistischen Blick einen Moment der Aufmerksamkeit zu verschaffen vor Ort auch in unwirklichen inhumanen Zuständen in meiner Zeit in sozialen Zusammenhängen.
Aber so ist mein Blick und so sehe ich das, andere nicht.
Vielleicht kann man Zwänge erst dann sehen und zeigen, wenn man zwanglos fotografieren kann – um sich daraus zu befreien…
Einfach nur Danke, wunderbare Gedanken, wunderbar in Worte gefasst.
Gute Gedanken mit interessanten Zitaten. Und nach der Wortherkunft (von lateinisch amator ‚Liebhaber‘) betreibt der Amateur eine Tätigkeit aus Liebhaberei. In diesem Sinn sollte es mehr Amateure geben!
Hmm,
der Amateur liebt die Fotografie und der Profi liebt das Geld? Das finde ich ein bißchen zu kurz gedacht. Ich bin Berufsfotograf – und ich liebe meine Arbeit und das Fotografieren. Ja, und die Welt interpretiere auch ich – so wie ich sie sehe und in den Themen, zu denen ich einen Standpunkt habe, professionell wie auch im Selbstauftrag.
Natürlich arbeite ich „im Auftrag“ (wie viele meiner berühmteren Kollegen), aber das heißt keineswegs, dass meine Arbeit entfremdet ist. Im Gegenteil: ich stehe für eine Leidenschaft und meine Kunden sind diejenigen, die mit dem was ich tue in Resonanz gehen und mich aus genau diesem Grund buchen.
Arbeit ist nicht das Gegenteil von Freiheit. Im Gegenteil: die beste Arbeit ist die, die man im Einklang mit sich selbst frei-willig macht – sehr gerne auch professionell.
Viele Grüße
Christian
http://www.ahrens-steinbach-projekte.de