Fotografie ist immer jung, Fotografien sind immer lebendig.
Aber warum ist Geschichte dann wichtig?
Eine Antwort gibt Georg Simmel:
„Solange sie [die überlieferten Dinge; T.S.] nur in der Zeit überhaupt, aber nicht in einer bestimmten Zeit stehen, sind sie in einem historisch leeren Raum.“
Eine andere Antwort gibt Timm Starl:
„Eine Fotografie ohne Autor und Datum ist – wie jedes Bild – ein Vortrag ohne Geschichte. Ihre Botschaft ist nicht zeit- und ortlos, sondern haltlos: wie ein Echo, das von nirgendwoher kommt und im Irgendwo verklingt. Was immer das Bild darstellt, ihm fehlen die Vergangenheit, aus der es erwachsen ist, die Umgebung, in der es hergestellt wurde, die Stimme, die Betonungen setzt, die Adressaten, die es erreicht hat – mit einem Wort: es fehlen das Vorher und Nachher, also alles, was Dasein ausmacht. Mögen solche Werke gelegentlich ob ihrer ästhetischen Reize noch so sehr funkeln, es ist ein unstetes Licht, das immer wieder verschwindet, ein Irrlicht, das ständig aus anderer Richtung aufblitzt. Es vermag auch nichts zu erhellen, denn seine Herkunft liegt im Dunkel, und so leuchtet es für eine Zukunft, in der es jedem gefügig sein muss.“
Sind das überzeugende Antworten?
Für mich als Dokumentarfotograf sind sie überzeugend, wenn es um Dokumentarfotos geht.
Sie sind relativiert sogar überzeugend, wenn es um Sehen statt Be-deuten geht.
Denn selbst wenn ich nicht weiß, wo und wann, so sind sogar diese Fotos als neue Konstruktion Ergebnis des in der Gegenwart Gesehenen zum Aufnahmezeitpunkt.
Aber Fotografie bleibt als Technik, die immer das Jetzt aufnimmt, immer auch eine Tätigkeit in der Gegenwart und damit immer lebendig.
Und heute ist das Fotografieren einfacher als Lesen und Schreiben.
Wozu dann noch die Blicke in die Vergangenheit?
Weil sie Blicke erweitern und neue Horizonte zeigen. Man selbst kommt nicht auf alles und sieht nicht alles, weil man nur sieht, was man sieht wie Ortega y Gasset so schön sagt:
„Die Wirklichkeit jedoch kann nur von dem Blickpunkt aus betrachtet werden, der einem jeden innerhalb des Alls vom Schicksal zugewiesen ist.“
Natürlich muß man es auch wollen. Wenn ich interessengebunden meinen Blickwinkel nicht verlassen will, dann hilft Aufklärung auch nicht.
Hinzu kommt, wenn ich ein Foto mit Zeit, Ort und Ereignis versehe, dann wirkt das Geschehen der Vergangenheit – die Geschichte – in der Gegenwart.
Das Gedächtnis verschwindet, wenn wir nur von Fotografien bestimmt werden.
Und die Verhältnisse bleiben so wie sie sind, wenn wir nur auf die Fotografien schauen.
Zugleich sind die Fotografien der Schlüssel für die Zukunft.
Das ist das Geheimnis ihrer Doppelnatur.
Dies alles können Sie ganz leicht selbst erfahren, wenn Sie auf das obige Foto blicken. Es ist ohne Zeit und ohne Ort „wie ein Echo, das von nirgendwoher kommt und im Irgendwo verklingt. Was immer das Bild darstellt, ihm fehlen die Vergangenheit, aus der es erwachsen ist, die Umgebung, in der es hergestellt wurde, die Stimme, die Betonungen setzt, die Adressaten, die es erreicht hat – mit einem Wort: es fehlen das Vorher und Nachher, also alles, was Dasein ausmacht.“
Dazu fehlt die Geschichte. Wenn Sie diese wissen wollen, dann werden Sie sie auf diesem Blog finden.