Museumsqualität in der Fotografie – Flachware für Kapitalanlagen?

 Hype

Wie das im Leben so ist, plötzlich sortieren sich die Dinge von alleine. Seit einiger Zeit fällt mir auf, dass die Fotografie einen neuen Platz gefunden hat. Sie ist durch eine ununterbrochen zunehmende Zahl von Fotowettbewerben gekennzeichnet und durch immer mehr Ausstellungen in immer mehr Museen an immer mehr Orten überall auf der Welt.

Quasi jede größere Stadt hat bald eine eigene Woche der Fotografie, größere Museen überschlagen sich mit Fotoausstellungen und je größer die Fotos sind, desto prominenter scheinen oft die Namen.

Bei den Fotoausstellungen findet sich eine der besten Übersichten auf Kultur online.

Dabei ist mir bei einigen Fotoausstellungen in den Museen etwas aufgefallen.

Wissen Sie, was es ist? Es ist in meinen Augen die Verknüpfung von Imagewerbung und Kapitalanlagestrategien.

Was bedeutet das?

In ihrem wohl einzigartig guten Buch hat die Autorin Piroschka Dossi dies einmal so beschrieben: „Im Jahr 2006 zeigte die Schweizer Großbank UBS, einer der Hauptsponsoren der Tate Modern, dort sechs Monate lang Fotografien aus ihrer Sammlung. Die Bank nutzte das Museum als Bühne zur Selbstdarstellung und zur Aufwertung der eigenen Sammlung…. 2004 schloss das Amsterdamer Stedelijk Museum einen fünfjährigen Sponsorenvertrag mit ABN Amro. Die niederländische Großbank erhielt unter anderem das Recht aus der Kollektion des Museums Bilder zu kommerziellen Zwecken einzusetzen und alle Pressetexte zu verfassen, mit der das Museum über gemeinsame Ausstellungen berichtet.“

Und in diesem guten Buch fand ich dann auch den Begriff, der meine Beobachtungen manifestieren konnte.

Das hat Frau Dossi für eine Ausstellung in Lyon so formuliert: „Das Museum drückte der ausgestellten Flachware sein Gütesiegel auf: Museumsqualität.“

Museumsqualität – das ist der Begriff, der die Imagewerbung mit den Kapitalanlagestrategien auf dem fotografischen Kunstmarkt verknüpft.

Sicherlich läßt sich dies vielfach übertragen und ist gerade heute aktuell. Der Markt in Europa wird überschwemmt mit Euros, so dass die Inflation und damit die Enteignung der kleinen Leute beginnt. Der Goldpreis steigt.

Wo kann man noch investieren? In vermeintlich sichere Wertanlagen.

Wann ist Kunst eine vermeintlich sichere Wertanlage? Wenn sie in den akzeptierten (von wem?) Museen ausgestellt wird.

Die Logik dieser Argumentation hat doch was. Aber ob sie stimmt ist natürlich eine andere Frage.

Es hat aber oft genug funktioniert und deshalb scheint heute eine Ausstellung in einem Museum oft genug eher dazu da, Geldanlagen zu vermitteln mit der Hoffnung durch „Museumsqualität“  mittelfristig werthaltige Fotografie zu verkaufen. Oder sollte ich lieber Fotokunst schreiben?

„Echte Mäzene leihen nicht, sie schenken. Doch privater Reichtum und privater Kunstbesitz dienen immer weniger der Unterstützung der öffentlichen Museen. Lieber investieren die neuen Medici ihre Gelder in eine eigene Sammlung und bringen diese steuerbegünstig in eine Stiftung ein, die ihren Namen trägt.“ So noch einmal Piroschka Dossi.

Beim Googeln kam ich dann sogar auf die Prominenten Günther Jauch und Hasso Plattner.  Die Geschichte finde ich sehr interessant und sie passt irgendwie auch hier rein, wenn auch nur am Rande. Aber auch das ist eine der vielen Facetten dieses Themas.

Geldanlagen, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, Stiftungen und ihre Förderungen, Mäzenatentum, das keines ist – hier tut sich ein Themenfeld auf, das größer ist als jeder Artikel, der darüber geschrieben werden kann.

Ich wollte eines mit diesem Artikel erreichen, nämlich Sie hinzuführen zu der Frage, warum so oft Fotografie in Museen ausgestellt wird.

Ein Grund ist sicherlich, das Image der „Museumsqualität“ als bewusstes oder unbewusstes Wertkriterium herzustellen nach dem Motto „was im Museum ist, muss gut sein“.

Das stimmt natürlich oft nicht, aber das macht auch nichts. Ausstellungen sind eben wichtig geworden, obwohl man sie viel effektiver, länger und weltweiter im Internet haben könnte.

Dann sind sie aber eben nicht im Museum. Im Internet wird es erst dann interessant, wenn ich eine Ausstellung aus dem Museum xyz dort präsentiere.

Da es viele Museen gibt, gibt es auch viele Räume, die die Museumsqualität herstellen können. Das wäre sogar was für eine Marktlücke nach dem Motto „Gehen Sie auf  www.museumsqualitaet24.de – wir vermitteln ihnen das Museum ihrer Wahl, um ihre Produktionen durch ein neues Image zu veredeln“ oder so ähnlich.

Ich hoffe, dieser Beitrag konnte ihre Lebenszeit auf angenehme Art bereichern und ich wünsche Ihnen viel Spaß bei ihrem nächsten Aufenthalt im Museum. Ich hoffe, Sie finden dort die Museumsqualität, die sie suchen.

Und Frau Dossi danke ich für ihr wunderbares Buch, das eine ununterbrochene Quelle von guten Ideen und neuen Blicken ist.

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/