„Fresh Eyes“ – damit sollen wir im 21. Jahrhundert auf die Geschichte der Fotografie schauen, fordert Philipp Prodger. Und er ist nicht allein.
Und so schildert er in seinem Buch über die alternative Geschichte der Fotografie, wie interessengebunden und kulturgebunden die bisherige Auswahl und Darstellung der „wichtigsten“ Fotografinnen und Fotografen war – und ist.
Daher fordert er mehr Diversität und Demokratie beim Blick auf die Menschen, die die Welt unterschiedlich aufgenommen haben.
Es gibt ja nicht „den“ Blick sondern es ist immer eine Frage des Interesses, was ich mir raussuche und warum. Prodger schildert wie wichtig Museen in der Vergangenheit waren und heute noch sind, um Werke und Personen zu fördern oder auszugrenzen. Da die meisten Museen ohne die Reichen nicht existieren können, zeigen sie auch deren Themen.
Was angenommen oder abgelehnt wird, ist rein interessenbestimmt.
Geld führt fast immer. Wer daher die herrschenden Verhältnisse dokumentiert, wird in der Geschichte, die die Herrschenden schreiben, nicht vorkommen. Das gilt auch in der Fotografie.
Hinzu kommt die technische Entwicklung. Heute können alle mehr von der Welt sehen – theoretisch – durch die digitale Vernetzung, wenn da nicht wieder die digitalen Sperren und Verbote wären.
Deshalb können Demokratie und Diversität (Diversität bedeutet, dass Menschen verschieden sein können und trotzdem gleich behandelt werden sollen) helfen, auch die Deutung über die Menschen, die fotografiert haben, neu einzuschätzen.
Fotografie ist heute unabhängig von einer Tradition oder Kultur. Sie ist für alle da.
Es gibt keinen Kanon mehr (englisch canon!), der für alle gilt, sondern es ist alles da.
Am Rande spricht er auch über ausgedachte Fotos. Das sind Fotos, die arrangiert sind. Davon gibt es mehr in Museen als Aufnahmen aus der Wirklichkeit.
Was mir an Prodger und seinen Mitstreitern so gefällt, ist der Transfer alter Erfahrungen aus der Geschichtsschreibung auf das Thema Fotografie.
In der Geschichte gab es Ansätze wie „Geschichte von unten“ oder den Satz „die Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben.“ Fotografie von unten ist bei ihm nicht gemeint.
Auch seine Beispiele sind eher von denen, die es sich leisten konnten obwohl es ja auch andere Beispiele und Themen gibt.
Prodger fragt z.B. wieso Motive und Fotografen aus Afrika, Asien und Südamerika fast immer fehlen? Hat da keiner fotografiert?
Prodger zeigt also auf wie die Mächtigen und Herrschenden unter sich ausmachten, wer und was gezeigt werden durfte und was nicht. Das ist ja im Grunde bis heute so.
Es bestätigt sich komplett dabei die Erkenntnis, daß es nicht auf Können sondern auf Kennen ankommt.
Das Buch ist viel zu gut um Wirkung zu haben, es sei denn es wird fürs Gendern mißbraucht, das wiederum ein soziales Herrschaftsinstrument einer abgehobenen Clique ist.
Aber genau darum geht es nicht sondern darum, den blinden Flecken in der Fotografie endlich Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Buch gibt es nur auf Englisch und jetzt auf Deutsch meine Gedanken dazu.
Jeffrey entwickelt darin die These, dass die Entwicklung der Technologie des Mediums, die seinen Anwendern erstaunliche Experimentiermöglichkeiten bietet, die wahre treibende Kraft hinter der Kunst der Fotografie ist.
So entdeckt jede Zeit die Welt immer wieder neu mit Sichtweisen, die sich oft ergänzen.
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