Die Wirklichkeit dokumentieren? Die Wahrheit der Menschen finden?

“Die Welt ist dabei in Stücke zu fallen und Leute wie Adams und Westen fotografieren Felsen!”

Henri Cartier-Bresson

Das ist ein schönes Zitat von HCB. Wenn man es aber rückblickend betrachtet, dann zeigt sich auch, daß Fotografie – und hier ist ja Reportage- und Dokumentarfotografie im klassischen Sinne gemeint – nur sehr speziell wirkt.

Alles hat(te) seine Zeit.

Als Henri Cartier-Bresson dies sagte, waren Fotoreporter noch die Helden der Bilderwelt, weil sie das zeigten, was woanders geschehen war und sonst so nicht zu sehen war.

Heute ist das anders.

Die Welt, die ja immer in Stücke fällt, wird heute meistens direkt vom Geschehen informiert mit Fotos und Videos der Betroffenen, die mit Smartphones gemacht werden und über soziale Medien geteilt werden.

Diese Ereignisfotos sind ein Teilbereich von Dokumentarfotografie und waren früher ein wichtiger Broterwerb für Reisende Fotoreporter.

Heute ist das anders.

Begrifflich wird heute oft zwischen (engagierter) sozialer Dokumentarfotografie und reiner Dokumentationsfotografie unterschieden, also z.B. zwischen sozialen Fragen und reiner Hochzeitsfotografie als Event-Dokumentation. Die Themenwahl ist zugleich die Geldfrage und rückt in den Mittelpunkt.

Damals konnten z.B. Cartier-Bresson und andere ihre Fotos nur verkaufen, weil sie den Wünschen der Kunden wie z.B. Paris Match entsprachen, die nach dem 2. Weltkrieg Fotografien und Streetfotografien wollten, die die französische Lebensart positiv darstellten, um als Nation neu glänzen zu können.

Wer heute damit Geld verdienen will, muß das fotografieren, was mögliche Auftraggeber heute wollen.

Wenn man heute als Amateur fotografiert, ist man vieI freier in der Themenwahl, weil man Freude, Leid und Veränderung fotografieren kann und nicht an Kundenwünsche gebunden ist sondern nur an die persönliche Auswahl.

Die soziale Modenschau der Welt zeigt immer die gleichen Wesen und ihre Fragen in neuen Kleidern.

Wie die Welt der menschlichen Wesen ist, finden wir sehr gut bei Schopenhauer erklärt.

Wir sind also mittendrin statt nur dabei und können diese unsere Welt in allen Facetten fotografieren.

Daher meine ich, gerade heute ist das Fotografieren ein besonders guter Weg in dieser Zeit.

So kommt man als menschliches Wesen zum Wesentlichen bevor man gewesen ist.

Es ist der Raum den John Berger und Albert Camus ganz gut beschrieben haben.

„Jedenfalls leben wir in einer Welt des Leidens, in der das Böse grassiert, in einer Welt, die unser Dasein nicht bestätigt, in einer Welt, der wir widerstehen müssen. In dieser Situation gibt uns der ästhetische Augenblick Hoffnung. Daß wir einen Kristall oder eine Mohnblume schön finden, bedeutet, daß wir weniger allein sind, daß wir tiefer in die Gesamtexistenz einbezogen sind, als es uns der Ablauf eines einzigen Lebens glauben lassen würde… Alle Ausdrucksformen der Kunst haben sich aus dem Versuch entwickelt, das Augenblickliche in das Immerwährende umzuwandeln.“

John Berger

„Ich glaube weiterhin, dass unserer Welt kein tieferer Sinn innewohnt. Aber ich weiß, dass etwas in ihr Sinn hat, und das ist der Mensch, denn er ist das einzige Wesen, das Sinn fordert. Diese Welt besitzt zumindest die Wahrheit des Menschen, und unsere Aufgabe besteht darin, ihm seine Gründe gegen das Schicksal in die Hand zu geben.“

Albert Camus

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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