Wer fotografiert will etwas zeigen. Sich selbst und eigentlich auch der Mitwelt. Damit ist dann die Ebene der sozialen Beziehungen erreicht, privat und öffentlich. Erfolg ist dabei dann die Währung. Diesen gibt es ohne Geld und mit Geld. Heute ist der Erfolg in sozialen Netzwerken durch positive Kommentare gegeben. Aber der eigentliche Erfolg ist der Verkauf der Fotos.
Wenn nun beides ausbleibt, was passiert dann?
Ich möchte mit Robert Frank beginnen.
Martina Mettner hat in ihrem Buch Fotografie mit Leidenschaft dem Buch The Americans und der Person Robert Frank ein ganzes Kapitel gewidmet. Sie schildert dort wie Fotografie mit Leidenschaft echte Leiden schafft. Das Buch hatte eine Druckauflage von 2600 Exemplaren von denen 1100 verkauft wurden und Robert Frank verdiente damit ca. 800 Dollar.
Für das Buch erhielt er öffentlich viele Prügel und das Buch wurde zerrissen. Einzig der New Yorker urteilte über das Buch, dass es „die Charakteristik des amerikanischen Lebens … mit brutaler Sensibilität entblößt.“
Danach verschwand das Buch in der Versenkung.
Erst mehr als zwanzig Jahre später wurde es 1978 durch den einflussreichen John Szarkowski rückblickend zum wichtigsten Fotobuch in der amerikanischen Fotografie der 50er Jahre erklärt.
Frau Mettner hat Robert Frank beispielhaft für die Transformation eines Fotografen zum Künstler dargestellt. Für sie ist das Buch ein „wunderbarer Beleg dafür, dass Knipsen und Kunst zusammengehen können“.
Robert Frank hat nach diesem Buch viele Jahre mit der Fotografie aufgehört. Im Buch von Patricia Bosworth über Diane Arbus schildert die Autorin das Leben und das Verhältnis zwischen Diane und Frank. Dabei wird deutlich, dass Frank von der Fotografie kaum leben konnte. „Bei Frank und seinen Freunden wurde das Thema Geld nie angeschnitten. (Um die Miete bezahlen zu können, nahm man alle möglichen Jobs an.)“
Und er begann dann mit dem Erstellen von Dokumentarfilmen. Der erste nach dem Buch war Pull my Daisy. Walter Gutman, ein Wall Street Makler, investierte 12.000 Dollar in diesen Film, der ein klassischer Dokumentarfilm wurde.
Publikum und Totschweigen
Fotografie braucht Publikum, wenn sie Themen für die Menschen und von den Menschen enthält. Das ist ja fast immer der Fall. Und deshalb ist Publikum so wichtig – auch für die eigene fotografische Entwicklung, selbst wenn die Fotos auf Ablehnung stossen.
Aber es kommt eben auch darauf an, um welches Publikum es sich handelt. Man kann sich zwar sein Publikum nicht aussuchen, aber man kann unterscheiden nach denen, die was zu sagen haben und denen, die aus Neid etwas tun.
Und wenn etwas besonders gut ist und besonders trifft, dann passiert damit oft genau das, was Martina Mettner so schön in ihrem Buch geschildert hat:
Man „breitete den Mantel des Schweigens über diese Darstellung der Schattenseiten des amerikanischen Traums (aus, M.M.)“
Daß dies dann für den Menschen Robert Frank ein Vierteljahrhundert später dazu führte, dass sein Buch Fotografiegeschichte schrieb, hat er dem „Geschichtsschreiber“ John Szarkowski zu verdanken.
Totschweigen ist also ein Geheimrezept, wenn man unliebsames und besonders Gutes nicht haben möchte. Für die Betroffenen kann dies zu Frust führen, weil sie ja ihre Lebenszeit mit Engagement investieren. Ohne Engagement führt dies wahrscheinlich nicht zu Frust, weil die persönliche Betroffenheit nicht ausgeprägt ist.
Heute sind wir einige Schritte weiter. Belohnung und Strafe liegen beim Posten von Fotos nur einen Klick voneinander entfernt. Und das Gefällt mir ist oft nur noch eine Sache von Sekunden. Meinungen bilden sich unabhängig von sachlichen Kriterien aus Launen heraus.
Daher sollten soziale Netzwerke eher Hinweisorte sein und die Fotos selbst woanders sein, offline und online.
Ende ohne Happy oder happy ohne Ende?
Soll man weitermachen, wenn der Erfolg sozial und finanziell ausbleibt?
Robert Frank hörte für viele Jahre auf. Nur die Existenz des Buches gab die Gelegenheit für den späteren Zugriff.
Heute werden für einzelne Fotos aus dem damaligen Buch als Druck mehr als 600.000 Dollar gezahlt.
Das ist im digitalen Zeitalter noch schwieriger.
Wenn du die Seiten mit deinen Fotos löschst, dann sind sie weg.
Somit ist heute sogar die Hoffnung auf den Erfolg in der Zukunft weg, wenn man die Dinge nur digital hat und nicht gedruckt und digital gesichert.
Schwierige Zeiten.
Aber damit nicht genug!
Wo kann man denn heute noch erfolgreich sein?
- Das finanzielle Erfolgskriterium ist die „Museumsqualität“.
- Die Teilnahme an Fotowettbewerben ist wie eine Fotolotterie und
- das Hochladen in Communities ist meistens nicht mehr als das tägliche Sichten von gespeicherten Bildermassen.
An dieser Stelle möchte ich nun noch hinweisen auf ein besonderes Phänomen. Diane Arbus und viele andere Fotografinnen und Fotografen haben es erlebt: je mehr Fotowettbewerbe sie gewonnen haben und je prominenter sie wurden, desto weniger Aufträge erhielten sie. So gibt es nicht einmal hier einen garantierten Weg zum finanziellen Erfolg.
Wenn ich das alles so beschreibe, dann wird man auf sich selbst zurückgeworfen.
Hilft da die Erzählung von Albert Camus mit dem Titel Jonas oder der Künstler bei der Arbeit?
Was mir an dem Buch von Frau Mettner so gefällt ist die Auseinandersetzung mit dem Thema, die bei mir zu Fragen führt wie
- Was mache ich eigentlich, wenn ich nicht berühmt und reich werde?
- Welche Rolle spielt dann die Fotografie für mich?
- Was will ich mit diesem Medium ausdrücken?
- Worum geht es mir?
Wenn die Fotografie dann nicht das ganze eigene Leben ist und man weiß, welche Antworten man darauf gibt, dann ist vielleicht der Weg erreicht, der es möglich macht, weiter zu fotografieren.
Im Kreis und im Fluß
Dieser Artikel kreist um einen Fluß ohne Anfang und ohne Ende. Daher sind alle Antworten nur Momente für Momente.
Der Weg zu sich ist offenkundig das Ziel.
Dieser Weg ist aber finanziell so gut wie nie erfolgreich. Er ist eher die Essenz, die den Misserfolg leicht verdaubar macht und dem Leben mehr Gewicht einräumt als dem Nachlaufen zum finanziellen Erfolg.
Wie man diesen erreicht, haben Piroschka Dossi und Martina Mettner in ihren Büchern analysiert. Dabei geht es überwiegend um Vernetzen und Verbinden.
The Americans
Um nun das Buch von Robert Frank noch einmal anzusprechen. Es gefällt mir, weil es echte Momente dokumentiert. Die Fotografien erzählen etwas. Aber ich habe immer das Gefühl, er hat mit dem Foto so lange gewartet bis die Person, die fotografiert wurde, missbillig sagt, was willst du von mir, pass auf, ich komme gleich rüber. So ist der Fotograf aktiver Teil des dann als Reaktion darauf aufgenommenen Geschehens. Es sind dann wohl eher herausgeforderte Momente, die genau dann fotografiert wurden.
Das war der Moment, den er festhielt.
An dem Buch gefällt mir aber noch etwas anderes. Es hat ein Format, das aus Fotos keine Tapeten macht und die Fotos wirken trotzdem gut. Es dürfte sich um Fotos im Format 13×19 handeln im Querformat.
So möchte ich diesen Artikel beenden und stelle rückblickend fest, dass es mir gelungen ist, die Schwierigkeit und die Widersprüche aufs Papier zu bringen, die entstehen, wenn die Fotografie ein Teil meines Lebens ist. Und ich konnte dokumentieren, warum Erfolg und Mißerfolg oder fehlender Erfolg nichts über Qualität und die eigene Person aussagt. Es kommt auch da auf die richtigen Verbindungen und den richtigen Zeitpunkt an.
So enden diese Ausführungen mit Antworten und Fragen – wie im echten Leben!
Und danken möchte ich Patricia Bosworth, Piroschka Dossi, Martina Mettner und Robert Frank für ihre Bücher und Gedanken, die mir eine vielfältige Inspiration waren beim Erzeugen eigener Gedanken, beim Finden von Zusammenhängen und beim Schreiben dieses Artikels.
7 thoughts on “Erfolglos und frustriert? – Leben mit der Fotografie und der eigene Weg durch die Welt”