Dokumentarfotografie dokumentiert.
Das ändert sich nicht.
Was sich aber ändert sind
- die Bedingungen unter denen sie dokumentiert,
- womit sie dokumentiert und
- was sie dokumentiert.
Darüber hat nun auch David Wünschel für die aktuelle Zeit sehr schön geschrieben:
„Mitte der 1990er-Jahre bekam Andreas Herzau den Auftrag, als Fotograf ins vom Bürgerkrieg geplagte Liberia zu reisen. Zuvor hatte Herzau schon die Folgen des Genozids in Ruanda dokumentiert, also flog er nach Westafrika und machte sich auch dort auf die Suche: nach Motiven von Gewalt, Flucht und Tod. Nach jenen Bildern also, die die Gräuel des Kriegs und das Elend der Geflüchteten symbolisierten.
Damals erregten solche Aufnahmen viel Aufsehen. …
Als Ende Februar dann der Krieg in der Ukraine ausbrach, überlegte Herzau erneut, an die Front zu fahren. Diesmal entschied er sich dagegen. „Ich habe mich gefragt, was kann ich dort leisten, was andere Kollegen nicht leisten können? Was ist mein spezieller Blick?“, so der 60-Jährige. „Da ist mir nicht viel eingefallen.“
Herzaus Gedanken sind in einer gewissen Weise sinnbildlich für die Veränderungen, die die Dokumentarfotografie in den vergangenen Jahrzehnten erfahren hat. Fotografen sind als glaubwürdige Augenzeugen zwar immer noch unerlässlich; besonders in Kontexten, in denen viele manipulierte Bilder im Netz herumschwirren. Diese rein dokumentierende Funktion hat jedoch an Bedeutung verloren, weil heutzutage jeder jederzeit Fotos machen und verbreiten kann. Wer wissen will, wie es in Liberia oder der Ukraine aussieht, braucht nur danach zu googeln.“
Soweit das Zitat aus dem Artikel in der sz. Schon hier würde ich fragen, wieso die Reporterfotos von Andreas Herzau gleichgesetzt werden mit Dokumentarfotografie?
Natürlich stimmt die Richtung.
Pressefotos können zu Reportagefotos werden und zu Dokumentarfotos – aber sind sie es automatisch?
Und was davon ist Fotojournalismus?
Da bestimmen in Deutschland beim Thema Geld zudem die Verbände fast allein mit. Wer davon nicht überwiegend lebt, erhält keinen Presseausweis, wobei es dann real aber von „Fotojournalisten“ nur so wimmelt ….
Wenn man mal von dieser Schmierenkomödie um den Presseausweis absieht, der ja nur der Ausgrenzung freier Menschen dient, dann sieht es etwas anders aus.
Fotojournalismus heute ist kein Beruf mehr sondern eher Teil einer Tätigkeit im Bereich der Kommunikationsindustrie.
Und Dokumentarfotografie?
Dokumentarfotografie ist eine Bezeichnung für das Fotografieren von realem Geschehen und echtem Sehen.
Die „echte“ – soziale – Dokumentarfotografie hat das Interesse zu zeigen, wie es gewesen ist mit dem Blick der Person, die es aufnimmt und sieht als „Betrachtungsweisen der Wirklichkeit“.
Dahinter ist die Grenze, die durch subjektive Konstruktion aus dem real Gesehenen etwas Neues im Sucher/Monitor-Rahmen als eigene Position macht. Ein Beispiel dafür ist für mich Play Time von Wolfgang Zurborn.
Das ist dann aber keine Dokumentarfotografie mehr sondern eher Kunstfotografie.
Aber da ja jede Generation die Welt neu entdeckt, werden die Wörter wohl bald in neuen Zusammenhängen zu finden sein.
Sehr schöne weiterführende Gedanken zu dem bisher Geschriebenen sind hier verlinkt…
Nun komme ich zum Ende, der Grenze des Ganzen.
Dabei geht es um unser großes Thema Kapitalismus und die Kamera.
Von Lewis Hine bis Matt Black reicht der Rahmen der Realität und die Fotos, die man heute als Dokumentarfotografie bezeichnet.
Aber auch sie sind entstanden unter sozialen Bedingungen und in einem ökonomischen Rahmen, der oft dazu führte, daß die Fotografen dieser Fotos völlig verarmt starben, während die Fotografen mit Themen, die die Reichen bewegen, viel verdienten und viel Anerkennung bekamen/bekommen.
Insofern ist der Kapitalismus in einer Demokratie ein entscheidender Faktor für die Nutzung der Kamera zusammen mit dem Recht „frei“ zu fotografieren – im Rahmen der realen Welt des Kapitalismus, die aktuell wohl alternativlos ist, wenn es um relative Freiheit geht und demokratische Wahlen.
Das wäre dann meine Position dazu – in diesem Sinne…